Alternativen denken

WIRTSCHAFTSMODELLE Christian Felber stellt sich Ökonomie jenseits von Kapitalismus und Sozialismus vor

Dem Sprecher von Attac Österreich ist etwas Besonderes gelungen: eine inspirierende Verbindung von Gegenwartskritik und visionärem Zukunftsentwurf. Es gebe eine Alternative zu den realsozialistischen Irrwegen und zum Kapitalismus, heißt es dort. Diese Alternative ist die Gemeinwohl-Ökonomie.

Ob man dieses Wirtschaftsmodell einfach so einführen oder von unten erkämpfen kann, ohne auf erbitterte Gegenwehr des organisierten Kapitalismus zu stoßen, sei mal dahingestellt. Das ist auch nicht Thema des Buches. Vielmehr will der Autor aufzeigen, dass eine andere, an gemeinnützigen Zielen orientierte Wirtschaft prinzipiell möglich ist.

Felbers Ansatz ist verblüffend einfach und deshalb auch so überzeugend. Er präsentiert neue sozialpsychologische Studien, wonach menschliches Glück durch Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation und Solidarität entsteht. Die kapitalistische Konkurrenz aber befördert das Gegenteil: Egoismus, Gier, Geiz und Rücksichtslosigkeit. Ein gravierender „Systemfehler“, der auf Dauer das Glück und die Freiheit aller Beteiligten untergräbt.

Felber versucht nun im Verbund mit rund 100 Attac-UnternehmerInnen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland, das System theoretisch und praktisch „umzupolen“. Der erste Schritt dazu ist eine „Gemeinwohlbilanz“. Unternehmerischer Erfolg soll nicht länger in Geld, sondern an der Erreichung humaner Grundwerte und gemeinnütziger Ziele gemessen werden. Der Autor macht dafür viele praktische Vorschläge. Unter anderem sollen Betriebe mit Gemeinwohlpunkten und (steu- er-)rechtlichen Privilegien belohnt werden, je mehr sie Mitbestimmung fördern, Führungs-Frauen haben, Wissen weitergeben etc. Das sind jedoch nur vorläufige Festsetzungen des Autors, denn die Gemeinwohlziele sollten in „Konventen“ direktdemokratisch festgelegt werden.

Felber beschreibt funktionierende Gemeinwohlbetriebe aus aller Welt. Aber ist das dann noch eine „Marktwirtschaft“? „Eine knifflige Frage“, findet der Autor und entscheidet sich schließlich für „Gemeinwohl-Marktwirtschaft“.

Ute Scheub

Christian Felber: „Gemeinwohl-Ökonomie“. Deuticke Verlag, Wien 2010, 160 Seiten, 15,90 Euro