Zu Oma und Opa statt in die Kita

Studie des Deutschen Jugendinstituts: Jedes dritte Elternpaar wünscht sich öffentliche Betreuung schon für Einjährige. Noch aber werden Kinder unter drei meist privat betreut

„Die, die nicht in die Kita gehen, kommen aus bildungsfernen Familien“

BERLIN taz ■ Ohne Oma und Opa läuft wenig in deutschen Kinderstuben. Wer nach ein, zwei Jahren Elternpause in den Job zurück will, muss sich fast immer privat um eine Aufsicht fürs Kind kümmern, fand das Deutsche Jugendinstitut (DJI) in München heraus. Für die erste bundesweit repräsentative Studie zum Thema befragte das Institut 8.000 Haushalte mit Kindern, die noch nicht zur Schule gehen. Gerade bei den Zwei- bis Vierjährigen sei die Lage „problematisch“, resümiert das DJI.

Dabei mangelt es nicht an der Nachfrage: Immerhin ein Drittel der Eltern wünscht sich schon für Einjährige einen Betreuungsplatz. 60 Prozent hätten ein solches Angebot gerne für das zweijährige Kind. Die Studie kann somit ein gängiges Vorurteil entkräften: dass ein umfassender Kita-Ausbau in Westdeutschland gar nicht nötig sei, weil das Gros der Eltern die Kinder frühestens mit drei Jahren außer Haus geben will. Die neuen Daten verweisen eher darauf, dass das Misstrauen gegenüber öffentlich organisierter Kinderbetreuung schwindet. So werfen sie auch ein neues Licht auf die Politiker-Pläne zum Kita-Ausbau: Selbst wenn die Regierung ihr derzeitiges Ziel erreichen sollte, 2010 jedem fünften Kind unter drei einen Kita-Platz bieten zu können, läge das immer noch weit unter dem Bedarf.

Noch allerdings liegt selbst dieser Wert in weiter Ferne. In Westdeutschland wird nicht einmal jedes fünfte Kind unter drei Jahren, bei dem beide Eltern berufstätig sind, in einer Kindertageseinrichtung betreut, fand die Umfrage heraus. Selbst von den berufstätigen Alleinerziehenden müssen 70 Prozent die Betreuung privat organisieren. Genau dies aber birgt soziale Risiken – weil Alleinerziehende mit kleinen Kindern ohnehin häufiger als andere von Armut bedroht sind.

So setzen viele Eltern auf familiäre Netzwerke. Jedes dritte Kind wird in beträchtlichem Umfang von Oma und Opa betreut, ermittelte das DJI. Was auf den ersten Blick lediglich wie ein Beleg für den Zusammenhalt der Generationen wirkt, birgt bei genauerer Betrachtung Risiken. Die Frage ist nicht nur, wie zukunftsträchtig dieses Modell ist, basiert es doch darauf, dass Oma und Opa am gleichen Ort wohnen und entweder arbeitslos, in Rente, Hausfrau oder Hausmann sind.

Die Daten verweisen auch indirekt auf einen Zusammenhang, der der Forschung schon länger bekannt ist: Frauen, die in der Nähe ihrer Mütter wohnen, haben häufiger Kinder. Das heißt aber umgekehrt, dass sich Frauen, die weit entfernt vom Elternhaus leben – und das sind oftmals gut ausgebildete Frauen, die um des Jobs willen weggezogen sind – , schwer tun mit der Entscheidung für ein Baby.

In einer Teilgruppe immerhin konnte die DJI eine positive Bilanz ziehen. Neunzig Prozent der Fünf- bis Sechsjährigen besucht den Kindergarten. Auch bei Nachwuchs aus Migrantenfamilien liegt diese Quote kaum niedriger. Ein ungetrübter Erfolg ist der Kindergarten dennoch nicht. Denn „die, die nicht hingehen, kommen aus bildungsfernen Familien“, resümiert die Studie.

Das Deutsche Jugendinstitut stellt daher eine Liste von Forderungen auf, wie Kinder in Deutschland besser betreut werden könnten. Hauptaufgabe ist es demnach, das Angebot für die Zwei- bis Vierjährigen auszubauen. Zudem halten die Forscher es für unzureichend, dass bisher vor allem jene Eltern einen Ganztagsplatz erhalten, die berufstätig sind. Denn dann kämen vor allem „Kinder aus besser gestellten Elternhäusern zum Zug“. Dem entgegen steht das Anliegen, mit der Kindertagesstätte herkunftsbedingte Nachteile auszugleichen.

Eine Forderung indes, die derzeit etwa in der SPD diskutiert wird, will das Institut nicht mittragen: Es hält es nicht für vorrangig, Kinderbetreuung kostenlos anzubieten. Wichtiger sei es, gezielt jenen Eltern zu helfen, die extrem knapp bei Kasse sind – schon, weil diese eben nicht im Notfall eine Tagesmutter bezahlen können. COSIMA SCHMITT