wie der kleine weblog „spreeblick“ zum prämierten kleinstunternehmen aufstieg
: „Die Autoren schreiben gerne und aus Leidenschaft für uns“

Auch in einem virtuellen Unternehmen beginnt der Arbeitsalltag zunächst mit etwas Handfestem: mit Zeitunglesen bei einer Tasse Kaffee. Erst dann wird der erste Podcast aufgenommen, erzählt Tanja Kreitschmann. „So viel Zeit muss schon sein.“

Kreitschmann (40) und ihr Mann Johnny Haeusler (42) haben ihre Hobbys zum Beruf gemacht. Sie bloggen, podcasten, recherchieren und moderieren. Daneben betreuen sie andere Autoren, sind Entertainer und Verleger. Sie selbst bezeichnen sich als Mediengestalter. Ihr Unternehmen: der Spreeblick Verlag. Ihr Produkt: Deutschlands bekanntester Weblog „Spreeblick“.

Haeusler und Kreitschmann verstehen „Spreeblick“ als einen Unterhaltungs- und Kulturkanal, in dem sie selbst und ihre Autoren im Prinzip über alle Themen schreiben und sprechen können, die ihnen wichtig sind und dann von den Nutzern kommentiert werden. Nicht immer braucht es dazu einen langen Artikel, erzählt Kreitschmann. Manchmal genügten ein paar kurze Zeilen zu einem aktuellen Thema, und schon ergebe sich im Laufe des Tages die entsprechende Diskussion darüber.

Mit dem „Spreeblick“ ist Haeusler bereits seit 2002 im Netz. Doch erst nach der Insolvenz seiner damaligen Internetfirma, die unter anderem die Website von MTV gestaltet hat, machte er den bis dahin eher sporadisch betreuten Weblog zu seiner Hauptbeschäftigung. Für Furore sorgten Haeusler und der „Spreeblick“ im Dezember 2004, als er die Geschäftspraktikten des Klingeltonanbieters Jamba enthüllte. Inzwischen wird der „Spreeblick“ durchschnittlich 7.000-mal am Tag angeklickt. Im Juni 2006 wurde der Weblog mit dem Grimme Online Award Spezial für „kreative Leistung, Gestaltung und Textqualität“ ausgezeichnet.

„Unser Geld verdienen wir nicht ausschließlich mit dem Blog, aber sehr wohl mit der Marke ‚Spreeblick‘ “, sagt Haeusler. Neben ihm und Kreitschmann schreiben vier Autoren derzeit regelmäßig für den „Spreeblick“. Daneben gibt es einen Techniker, einen Administrator und Toni Mahoni, den berühmten Video-Blogger aus Friedrichshain, der zweimal wöchentlich in seinem Videocast aus seinem Leben erzählt. Honorare gibt es für die „Spreeblick“-Artikel bislang noch nicht. „Die Autoren schreiben gerne und aus Leidenschaft für uns, egal ob sie Geld verdienen oder nicht“, sagt Haeusler.

Für die Autoren rechnet es sich trotzdem. Denn neben Anfragen von anderen Medien gibt es Firmen, die die „Spreeblick“-Autoren bitten, für sie Texte oder Blogs zu schreiben. Die Firma Nintendo etwa heuerte die Spreeblogger an, einen Blog zur Einführung der neuen Spielekonsole zu betreuen. Haeusler selbst, der von 1995 bis 2000 schon einmal bei Radio Fritz eine Computersendung hatte, moderiert als Online-Experte einmal in der Woche die zweistündige Radiosendung „Trackback“. „Wir haben ‚Spreeblick‘ nicht gegründet, um Geld zu verdienen“, sagt Haeusler. Doch der Blog wurde mit dem wachsenden Erfolg immer arbeitsintensiver. Jetzt funktioniere das Unternehmen auch in finanzieller Hinsicht.

Expandieren wollen Haeusler und Kreitschmann mit dem Spreeblick Verlag allerdings nicht. „Je kleiner man sich hält, desto flexibler bleibt man auch, was technische Entwicklungen angeht“, sagt Kreitschmann. Und das ist in der Netzwelt ja schon sehr wichtig. FELIX LEE