Neonazis suchen Zuflucht bei der NPD

Eine bekannte Brandenburger Kameradschaft hört auf. Angeblich fühlen sich die NS-Fans in der NPD sicherer

BERLIN taz ■ Der „Märkische Heimatschutz“ (MHS), eine der einflussreichsten Neonazi-Kameradschaften Brandenburgs, hat am Wochenende seine Auflösung verkündet. Klingt nach einer erfreulichen Nachricht, ist aber keine – denn die Rechtsextremen setzen offenbar auf eine neue Strategie: „Wir beabsichtigen, jeder nach seinem Interesse, nun den parlamentarischen Weg zu gehen“, heißt es in dem im Internet verbreiteten Abschiedsbrief.

Brandenburgs NPD-Chef Klaus Beier macht kein Geheimnis daraus, dass er bereits heftig um Nachwuchs aus der Neonazitruppe wirbt. Schon in den vergangenen Monaten seien MHS-Mitglieder in die NPD eingetreten, versichert Beier. Nun, da ihm „von höchster Stelle“ die Auflösung des „Heimatschutzes“ bestätigt worden sei, hoffe er auf weitere Anträge: „Je mehr, desto besser.“

Mit seinem Auflösungsbeschluss folgt der MHS einem Trend, der seit Monaten in der Brandenburger Kameradschaftsszene zu beobachten ist: Die Kameraden suchen Zuflucht bei der NPD. So erklärten sich in den vergangenen Monaten die „Lausitzer Front“ aus Guben, der „Sturm Cottbus“ sowie die „Gesinnungsgemeinschaft Südostbrandenburg“ für aufgelöst. Die Lausitzer Neonazis sollen inzwischen unter das Dach der sächsischen NPD geschlüpft sein. Das Potsdamer Innenministerium wollte sich gestern nicht zur Auflösung des „Heimatschutzes“ äußern. Die Erklärung müsse erst geprüft werden, sagte eine Sprecherin.

Nahe liegt, dass einige Kameradschaften ihre Aktivitäten für beendet erklärten, um ihrem Verbot zuvorzukommen. Schließlich hatte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) in der Vergangenheit mehrere Neonazigruppen verboten. Ob diese Sorge auch den „Heimatschutz“ umtrieb, ist nicht sicher. Allerdings wird auf einer bekannten rechtsextremen Internetseite argumentiert, der MHS wolle „seinen politischen Kampf künftig aus abgesicherter Position im parteilichen Rahmen“ weiterführen. Diese Behauptung bietet einigen Zündstoff: Denn die Organisationsform der „Freien Kameradschaft“ galt in der Neonaziszene ursprünglich als wirksame Reaktion auf drohende Parteiverbote – in ihren „Kameradschaft“ konnten die Neonazis ihren NS-Ideologen huldigen, ohne von NPD-Kadern zurückgepfiffen zu werden. Dass eben diesen Aktivisten die NPD inzwischen als der sicherere Unterschlupf erscheint, dürfte Befürworter eines neuen Verbotsantrags gegen die Partei hellhörig machen.

Allerdings verweisen Kenner der Brandenburger Neonaziszene wie Toni Peters vom Antifaschistischen Pressearchiv in Berlin auch darauf, dass der „Märkische Heimatschutz“ seit gut einem Jahr kaum noch aktiv gewesen sei. Sein Chef Gordon Reinholz habe sich offensichtlich darauf konzentriert, seinen Versandhandel für Rechtsrock und Hooligan-Kleidung voranzutreiben. Bisher gilt die brandenburgische NPD als schwach, in Brandenburg hatte sie deshalb zuletzt bei Wahlen der DVU den Vortritt gelassen. Bei der aber wächst laut Regionalpresse nun die Nervosität. Denn die erstarkte Bündnispartei droht zunehmend zur Konkurrenz zu werden.

ASTRID GEISLER