Allee trotzt Sturm und Kettensäge

Gericht verbietet die schnelle Fällung von über 700 Alleebäumen bei Rüdnitz in Brandenburg. Die Kettensägenfans der Kreisbehörde müssen Landesumweltamt einschalten. Das freut Naturschützer

VON ULRICH SCHULTE

Eines der schönsten Naturdenkmäler Brandenburgs bleibt wohl doch erhalten: Mehr als 700 alte Ahornbäume einer Allee bei Rüdnitz im Barnim dürfen vorerst nicht gefällt werden. Das hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) beschlossen. Ginge es nach der Kreisverwaltung, müssten die Bäume für den Ausbau einer maroden Kreisstraße weichen. Naturschützer und Grüne kämpfen seit Monaten mit Unterschriftensammlungen, Gegengutachten und Baumbesetzungen gegen die geplante Massenfällung.

Das Gerichtsurteil verschafft den Aktivisten eine Atempause. „Das ist ein positives Signal“, sagt Katharina Tomaschek, Robin-Wood-Aktivistin und Grünen-Mitglied. „Wir hoffen, dass jetzt wieder eine sachliche Diskussion mit der Behörde möglich wird.“ Genau genommen hat der Richter nämlich nicht über die Fällung der Bäume entschieden – sondern über Artenschutz. In Höhlen in Stamm und Krone nisten geschützte Vögel wie Grauschnepper oder Kohlmeise. Deshalb darf die Kreisverwaltung nur roden, wenn sie sich vorher eine Genehmigung beim Landesumweltamt holt, so der Richterspruch. Das hatte die Behörde für unnötig erachtet.

Die Frage ist nun, ob die Behörde freiwillig vom Rodungsplan Abstand nimmt. Oder ob sie Beschwerde gegen das Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht einlegt. Eine Sprecherin wollte dazu gestern keine Stellung nehmen. „Wir müssen den Beschluss noch prüfen.“ Die Kreisverwaltung möchte die Straße zwischen Rüdnitz und Danewitz nördlich von Berlin mit EU-Fördermitteln ausbauen. Für die vorgeschriebene Breite sei eine Fällung nötig, argumentiert sie. Zudem seien viele der Bäume altersschwach.

Wie sie sich auch entscheidet, das Überleben der Bäume ist mit dem Urteil wahrscheinlicher geworden. Bleibt es bei dem Gerichtsbeschluss, muss sich der Kreis eine Befreiung vom Naturschutzgesetz beim Landesumweltamt holen. Dieses hatte die Fällung in einer früheren Bewertung abgelehnt. Außerdem wird die Zeit für die Kettensägenfans in der Kreisbehörde knapp: „Bei dem Verfahren im Landesumweltamt sind Fristen zu beachten. Zum Beispiel müssen die Naturschutzverbände angehört werden“, sagt Stefan Stahlbaum von den Grünen Niederbarnim. Die Fällsaison endet laut Naturschutzgesetz aber bereits Mitte März, weil dann die Bäume neu austreiben.

Die Alleenverteidiger hoffen jetzt, dass die Behörde doch noch einlenkt. Und sie versuchen das Argument zu entkräften, dem Kreis gehe EU-Geld flöten. Die Grünen haben eigens ein Gutachten bei einem Planungsbüro in Auftrag gegeben. Es schlägt mehrere Varianten einer Straßensanierung vor, die die Bäume schonen. Zum Beispiel, indem Ausweichbuchten für Autos zwischen die Pflanzen gebaut werden. „Die Behörden müssen ihre Schmollecke verlassen und an den Verhandlungstisch zurückkehren“, sagt Stahlbaum.

Wenn man sie nur ließe, könnten die Ahornbäume nach Ansicht der Naturschützer noch mehrere Jahrzehnte stehen. Den besten Beweis für ihre Standfestigkeit hat die Allee vor ein paar Tagen selbst geliefert: Den Orkan „Kyrill“ hat sie ohne größere Schäden überstanden.