Schlecht gepfuscht, gut erwischt

JURA Seit 2007 schmückt sich Freiherr von und zu Guttenberg auch mit dem Doktor-Titel. Der Bremer Jurist Andreas Fischer-Lescano weist ihm eine lange Liste von Plagiaten nach

von KLAUS WOLSCHNER

Seit den frühen Morgenstunden belagerten gestern Journalisten das Gebäude „GW1“, in dem das „Zentrum für Europäische Rechtspolitik“ (ZERP) untergebracht ist. Das Telefon von Andreas Fischer-Lescano stand nicht still, er hat hier einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht. Eine Sekretärin wimmelte einen Pressevertreter nach dem anderen ab – nein, wir können nicht mehr dazu sagen, muss sie immer wieder sagen. Der Jurist kam erst mittags aus Berlin angereist, wo er mit seiner Familie lebt, er hatte nachmittags Besprechungstermine. Und für die Presse keine Zeit. Und eigentlich wollte er auch keine Kommentare geben, er habe alles geschrieben, was zu sagen sei, erklärte er.

Und das hat es in sich: Die Dissertation des Verteidigungsministers Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg sei an mehreren Stellen „eine Täuschung“ und ein „dreistes Plagiat“. Jedem Studenten, sagt ein anderer Jura-Professor, würde so eine Arbeit um die Ohren gehauen.

Zu Guttenberg hatte seine Jura-Ausbildung ohne Doktor-Titel beendet und die Fertigstellung der Dissertation aufgrund „freiberuflicher wie später parlamentarischer ‚Ablenkung‘ versäumt“, schreibt der CSU-Politiker selbst im Vorwort. Für 88 Euro ist das Werk nun doch zu haben. „Unerbittlicher familiärer Druck“ habe ihn getrieben, es zum Abschluss zu bringen: „Diese Arbeit entspringt einer ungewöhnlichen Verkettung von Glücksfällen.“

Glück hat zu Guttenberg offenbar vor allem mit den Gutachtern gehabt: Die renommierten Juristen Peter Häberle und Rudolf Streinz gaben ihm „summa com laude“. Und dann, so Fischer-Lescano, „fristete die Arbeit ein Schattendasein“. Es habe eine „devote Rezension“ gegeben und Erwähnungen in der Lokalpresse von Leuten, die offenbar nur das Vorwort gelesen hatten. Der Text sei „im Wesentlichen unbeachtet geblieben“, und das zu Recht: „Der wissenschaftliche Ertrag der Arbeit ist bescheiden“, die Arbeit bleibe „weit hinter der wissenschaftlichen Diskussion zurück“, passagenweise sei es die „Nacherzählung rechtspolitischer Diskussionen.“ Fazit: „Das Gesamturteil ‚summa cum laude‘ erscheint darum mehr als schmeichelhaft.“

Der Bremer Jurist hatte das Werk angeschaut, weil es sein Fachgebiet berührt. Und er hätte es „gelangweilt aus der Hand gelegt“, wenn ihm nicht einige Passagen bekannt vorgekommen wären. Und so stellte er Fundstellen zusammen, bei denen jeder mit Google-Recherche nachprüfen kann, dass sie abgeschrieben wurden. Die Rezension des Guttenberg-Buches, die in dem Heft 44 der Zeitschrift „Kritische Justiz“ erscheinen wird, umfasste am Ende kaum zwei Seiten Text aber sechs eng bedruckte Seiten Plagiats-Nachweise.

Selbst orthografische Fehler kupferte Guttenberg ab, was auf ‚copy and paste‘ verweist. Er übernimmt passagenweise Wertungen und Einordnungen, ohne das zu kennzeichnen. Manche der ohne Verweis abgeschriebenen Autoren kommen nicht einmal in der Literaturliste der Guttenberg-Dissertation vor. Fischer-Lescano hat sogar ein Plaggiat gefunden, das zu Guttenberg aus den „Informationen zur politischen Bildung“ abgeschrieben hat und das durch Umstellung einzelner Worte offenbar gegen die Google-Kontrolle absichern wollte. Sechs lange Sätze umfasst das Plagiat, zu Guttenberg ersetzte „auf der einen Seite“ durch „einerseits“, statt „allseits“ schrieb er „weithin“, er strich aus langen Sätzen kleine Füllwörter wie „ganz“ und „bloß“. So etwas passiert nicht aus Versehen.