NPD-Machtkampf an der Elbe

Angeblich soll der vermögende Anwalt Rieger mit dem Landesvorsitz belohnt werden

BERLIN taz ■ In der Hamburger NPD tobt eine Schlammschlacht, die an jene Zeiten erinnert, da sich die Rechtsextremen noch in verlässlicher Regelmäßigkeit der öffentlichen Selbstzerfleischung widmeten. Anfang Januar trat der Landesvorstand zurück, seither werden täglich neue Episoden in Internetforen der Szene ausgewalzt. „Mosaische Levantiner Hexe“, „psychisch Kranke“, „tollwütiges Tier“ – der Wortwahl der Kontrahenten fehlt es nicht an Unterhaltungswert.

Glaubt man der abgetretenen Landeschefin Anja Zysk, dann handelt es sich allerdings nicht nur um eine bizarre Lokalposse, sondern um einen aus dem Bundesvorstand heraus betriebenen Machtkampf. Angebliches Ziel: den vermögenden Neonazi-Anwalt und NPD-Senkrechtstarter Jürgen Rieger als Landeschef zu inthronisieren. Tatsächlich? Neu sind die Putschgerüchte nicht. Schon vor Wochen wurde auch in Sicherheitsbehörden gemunkelt, die NPD-Spitze wolle Rieger angesichts ihrer Finanznot womöglich zu einem weiteren Posten verhelfen. Das Zuckerl solle den vermögenden Rechtsextremen zahlungswillig stimmen.

Rieger war bereits bei der Bundestagswahl 2005 als Spitzenkandidat der Hamburger NPD angetreten – damals allerdings noch ohne Parteibuch. Im vergangenen Herbst trat er der NPD bei, wurde beim Bundesparteitag im November auf Anhieb in den Bundesvorstand gewählt und sorgte über Monate mit angeblichen Kaufabsichten für ein Hotel in Delmenhorst für Aufruhr. Rieger, der in der rechtsextremen Szene als Vertreter völkisch-rassistischer Theorien bekannt ist, soll über ein beträchtliches Vermögen aus Rechtsextremen-Erbschaften verfügen. Nach Angaben des Verfassungsschutzes ist dessen Höhe allerdings unbekannt.

Die zurückgetretene Hamburger NPD-Chefin bezichtigt in einer schriftlichen Erklärung den persönlichen Referenten des NPD-Bundesvorsitzenden, Thomas Wulff, den Machtkampf zu Gunsten Riegers eingefädelt zu haben. Im vergangenen Jahr sei sie von Anhängern des Neonazi-Strategen darauf vorbereitet worden, dass Wulff an ihrem Sturz arbeite.

Zysk tritt inzwischen selbst mit prominenter Unterstützung aus der Neonazi-Szene auf. Überraschend sprang ihr Christian Worch zur Seite, einer der dienstältesten Aktivisten, der mit der NPD im Dauerclinch liegt. Als die offizielle Hamburger NPD-Website mit der Erklärung Zysks vom Netz genommen wurde, sicherte Worch der Düpierten im Internet die Adresse npdhamburg.de – zum Ärger der Parteispitze in Berlin.

Dort weist man Zysks Vorwürfe zurück. Die Landesvorsitzende habe selbst ihren Rücktritt erklärt, daher könne von einem Putsch keine Rede sein, sagt NPD-Vizechef und Multifunktionär Peter Marx. Der Bundesvorstand werde allerdings an diesem Wochenende über die Ausrufung des „organisatorischen Notstands“ in der Hamburger NPD entscheiden. Es sei unumgänglich, dass die Parteispitze ein „Mindestmaß an Parteidisziplin“ in Hamburg wieder herstelle und Neuwahlen des Landesvorstands vorbereite. Und der Bundesvorstandskollege Jürgen Rieger? Ob der kandidieren wolle, sagt Marx, sei ihm unbekannt. Das müsse er den Parteifreund am Wochenende erst einmal fragen. ASTRID GEISLER