Misshandeltes Kind war Jugendamt bekannt

Die dreijährige Emily aus dem Oldenburgischen, die vom Lebensgefährten ihrer Mutter gequält worden sein soll, war längst im Visier des Jugendamtes. Ein Arzt hatte das Kind untersucht, aber keine schweren Verletzungen erkannt

Über das dreijährige Mädchen aus Ahlhorn bei Oldenburg, das von seinem Stiefvater schwer gequält und missbraucht wurde, gab es bereits eine Akte beim Jugendamt. Der Leiter der zuständigen Behörde, Robert Wittkowski, bestätigte der taz gestern, dass in den Wochen vor der Verhaftung des Stiefvaters mehrfach eine Sozialarbeiterin bei der Familie war. „Die hatte keinen Hinweis auf Verletzungen gefunden“, sagte Wittkowski. Auch ein Arzt, zu dem die Sozialarbeiterin die Dreijährige schickte, erkannte deren Martyrium nicht.

Der Fall offenbart einmal mehr, dass selbst Kinder, die von der Jugendhilfe betreut werden, durchs Raster fallen können – wie es schon bei Kevin aus Bremen und Michelle aus Hamburg deutlich geworden ist. Dass das Mädchen aus Ahlhorn schließlich aus ihrem Martyrium befreit wurde, ist nicht der Aufmerksamkeit der Fachleute, sondern einem Gemüsehändler aus ihrem Dorf zu verdanken. Als die Familie am 8. Dezember in seinem Laden war, entdeckte er bei dem Kind auf den ersten Blick Schwellungen im Gesicht und Blutspuren an den Ohren. Außerdem sei das Mädchen auffällig verängstigt gewesen. Er rief die Polizei.

Der Sozialarbeiterin und dem Arzt waren sowohl die Verhaltensauffälligkeiten als auch die Verletzungen entgangen. Dabei erlitt das Kind offenbar schon lange Misshandlungen. Wie das Hamburger Abendblatt gestern berichtete, haben Rechtsmediziner der Uniklinik Eppendorf Spuren mehrfacher Vergewaltigungen und weitere Verletzungen entdeckt, die zum Teil Monate alt sein sollen. Aktenkundig bei der Behörde und dem Kinderarzt aber ist nur eine Ohrenentzündung des Mädchens.

Über die ist das Jugendamt auf den Fall gestoßen. Im November hatte eine Anruferin dort berichtet, die Dreijährige habe eine Ohrenentzündung und werde nicht medizinisch versorgt. Daraufhin schickte die Behörde die Sozialarbeiterin los, die wiederum für den Folgetag einen Arztbesuch für das Mädchen verabredete. Tatsächlich erschien die Mutter mit ihrer Tochter beim Arzt. Der aber behandelte ausschließlich die Ohren und sah sich das Mädchen nicht genauer an.

Zu einem Kontrollbesuch, bei dem die Ohren erneut untersucht werden sollten, erschien die Familie jedoch nicht. Viermal ging die Sozialarbeiterin nach Auskunft von Wittkowski zu ihrer Wohnung und stand vor verschlossener Tür. Der nächste Schritt wäre gewesen, beim Familiengericht noch am selben Tag eine Anhörung zu beantragen, um die Mutter zur Kooperation zu zwingen. Ehe es dazu kam, ging aber der Hinweis des Gemüsehändlers bei der Polizei ein.

Die verhaftete den Vater in Hamburg. Das Mädchen lebt inzwischen in einer Einrichtung, die auf traumatisierte Kinder spezialisiert ist. Dort, berichtet Wittkowski, gehe es ihm „so weit gut“. Elke Spanner