Gutachten: „Unangemessene Anforderungen“

STAATSGELD Der Berliner Rechtsprofessor Ulrich Battis hält die Extremismusklausel für rechtswidrig

FREIBURG taz | Die Extremismusklausel in den Projektverträgen des Familienministeriums ist teilweise verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kam der renommierte Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis in einem Gutachten, das er Ende letzten Jahres für Aktion Sühnezeichen und drei weitere Organisationen erstellt hat. Es könne von den Trägern nicht verlangt werden, alle „Partner“ auf extremistische Haltungen zu überprüfen.

Maßstab ist für Battis der Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Wenn Gruppen, die die Extremismusklausel nicht unterschreiben, vom Staat kein Geld für ihre Antifa-Arbeit bekommen, liege eine Ungleichbehandlung mit Gruppen vor, die die Klausel unterzeichnet haben und deshalb Geld erhalten. Battis prüft nun, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist.

Soweit von den Geldempfängern ein Bekenntnis zu den Grundregeln der Demokratie verlangt wird, hat Battis keine Bedenken. Wer Geld für die Förderung der Demokratie bekomme, müsse sich auch zu ihr bekennen. Dies sei „geeignet, erforderlich und angemessen“. Der Inhalt der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung sei durch das Bundesverfassungsgericht ausreichend konkretisiert.

Zu weit geht für Battis aber eine Kontroll- und Überwachungspflicht für alle „als Partner ausgewählte Organisationen“. Diese Anforderung sei ungeeignet, weil zu unbestimmt. So sei schon unklar, ab welchem Grad der Zusammenarbeit eine andere Organisation als „Partner“ anzusehen sei. Auch sei es schwierig festzustellen, ob eine Organisation extremistisch ist. Selbst die Verfassungsschutzämter seien sich dabei oft nicht einig. Es wäre eine Überforderung, solche Entscheidungen nun von privaten Organisationen zu fordern. Außerdem sei die Kontrollpflicht gegenüber Partnern auch „unangemessen“, denn sie fördere eine „Kultur des Misstrauens“, während angesichts ständiger Neonazi-Angriffe eher das Vertrauen innerhalb der Zivilgesellschaft gestärkt werden müsse.

Für Battis reicht es aus, wenn die Gruppen am Ende des Jahres nachweisen, was sie mit den Staatszuschüssen gemacht haben. Sie müssten nicht vorab für alle Partner die Hand ins Feuer legen. Familienstaatssekretär Hermann Kues (CDU) widersprach inzwischen. Extremistische Gruppen dürften mit Staatsgeld nicht unterstützt werden. Hierfür müssten die Projektträger sensibilisiert werden. Dazu sei die umfassende Extremismusklausel geeignet.

CHRISTIAN RATH