„Rückkehr der alten Warlords“

taz: Herr Terlinden, kann die äthiopische Militärintervention Somalia Frieden bringen?

Ulf Terlinden: Dieser Einmarsch wird voraussichtlich nicht sehr lange dauern. Es ist bereits ein Rückzug angekündigt, nach dem die Macht übergeben werden soll – an das, was sich Übergangsregierung nennt. Die Frage ist, inwiefern die Übergangsregierung ihre Einstellung zu Herrschaft geändert hat. Bislang hat sie fast ausschließlich auf militärische Mittel gesetzt. Die Übergangsregierung ist außerdem ein Konstrukt, das die beteiligten Parteien nicht repräsentativ abbildet. Ihr Präsident, Abdullahi Yusuf, der zum Darod-Clan gehört, wird große Schwierigkeit haben, in Mogadischu Anerkennung zu finden, das vom Clan der Hawiye besiedelt ist. Insbesondere weil das größte politische Projekt der Hawiye, die Scharia-Gerichte, jetzt mit äthiopischer Hilfe zerschlagen wurde.

Wer bietet in Somalia eine bessere Perspektive?

Die Befürchtung in Südsomalia ist, dass die alten lokalen Warlords mit Gewalt in ihre alte Position zurückgeholt werden. Ein ziviles Gegenpotenzial gibt es in diesem Landesteil nicht – anders als in Somaliland im Norden, wo durch Konsensbildung und lokalen Ausgleich ein demokratischer Staat aufgebaut werden konnte. In Südsomalia ist nach dem Zerschlagen der Scharia-Gerichte kein Ansprechpartner vorhanden, der in den Augen der Bevölkerung Legitimität genießt.

Was könnte von internationaler Seite passieren, um die Lage zu stabilisieren?

Das eine ist das Insistieren auf Dialog und Ausgleich. Ob die Scharia-Gerichte als politischer Akteur überleben, werden erst die nächsten Tage zeigen. Wahrscheinlicher ist, dass sie in den Untergrund gehen. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die politische Integration insbesondere der Hawiye in die Übergangsregierung noch aussteht. Der zweite Aspekt ist die internationale Dimension. Äthiopien und Eritrea sind Akteure in diesem Konflikt, und man kann diesen Konflikt nicht bewältigen, wenn man das nicht eingesteht und an beide klare Worte richtet.

Braucht Somalia eine neue Friedenskonferenz, auf der man die Übergangsregierung zur Disposition stellt?

Die Übergangsregierung genießt so wenig Legitimität im eigenen Land, dass sie überarbeitet werden muss. Ich bezweifle aber sehr stark, dass es eine internationale Bereitschaft gibt.

Ist es denkbar, dass sich alle Teile Somalias wieder friedlich zu einem Staat vereinen?

Da muss man sich erst mal fragen, ob es je einen solchen Staat gegeben hat. Die Geschichte von Staatlichkeit in Somalia ist denkbar kurz. Die Übergangsregierung ist ein Produkt Äthiopiens, und sobald sich die äthiopischen Truppen ein Stück zurückziehen, wird man sehen, wie weit dieses Gebilde einen Herrschaftsanspruch stellen kann. Wahrscheinlicher ist ein neuerlicher Zerfall in die alten Clanparzellen.INTERVIEW: D.J.