Fluss der Reichen

Mal Requisit der Haute Volée, mal Kulisse für Seemannsromantik: Eine Ausstellung im Altonaer Museum befasst sich mit der Elbe. Interessant wird das, sobald sie zur Gegenwart kommt

von PETRA SCHELLEN

Man tritt ein ins Altonaer Museum, und sie ist da. Jene glockenhelle Stimme, die einen herzlich willkommen heißt und gleich darauf von verschiedenen Nationalhymnen abgelöst wird. Nachempfunden ist das dem Willkommhöft in Wedel vor Hamburg, das die einlaufenden Schiffe per Lautsprecher mit ihrer Hymne begrüßt. Marte Kiessling hat den Soundtrack geschaffen, der sich automatisch anschaltet, sobald ein Besucher die Ausstellung „Alles im Fluss. Ein Panorama der Elbe“ betritt – allerdings ohne anzudeuten, ob er das ironisch meint oder nicht.

Doch von vorn: Als Schiffsparade vom Schoner des 19. Jahrhunderts bis zur hochaktuellen „Queen Mary II“ ist die große Vitrine rechts gestaltet, während links verschiedene Themencontainer warten. „Sitten“, „Krankheiten und Unglück“, „Sammelgüter“ und „Kolonialwaren“ heißen die, und in einem wartet ein lebensgroßer hölzerner „Tabakindianer“. Kritische Anmerkungen zum Thema finden sich nicht; eher grobmaschig dokumentarisch ist die Schau organisiert, die die Strecke von Altona nach Wedel und damit 17 Kilometer jenes Flusses nachzeichnet, der für die wirtschaftliche Entwicklung der Region enorm nützlich war. Damals jedenfalls, als die Fischbestände noch wucherten und man in der Elbe baden konnte. Später verscheuchte die Industrialisierung die Fische.

Aber davon spricht nur das zugehörige Buch. Die Ausstellung begnügt sich mit Gemälden aus dem 19. und 20. Jahrhundert, auf denen sich immer mal ein Schlot findet; interessant auch, dass die Haute-Volée die Elbe, vom eigenen Landsitz aus betrachtet, als Teil ihres Besitzes empfand. Und den wollte man im Gemälde verewigt wissen.

Spiegelung war für Hamburger Wohlhabende und Architekten stets wichtigste Qualität der Elbe, für die man Stolz, aber keinesfalls jene Zärtlichkeit empfand wie etwa der Kölner für „Vater Rhein“. Ästhetisches Requisit, gern gesehene Bordüre, die den eigenen Landsitz, gern auch, bald, die Elbphilharmonie säumt, war der Fluss. Und natürlich flaniergeeignet: Einen Schutenhut von 1805 sowie Spielzeug haben die Kuratoren auf ein Podest gelegt; auch ein bisschen Plaste-Strandgut ist dabei. Später erfährt man viel und ein bisschen Beliebiges über Fische und Wasserqualität der Elbe.

Und man ginge schwer enttäuscht von dannen, wäre da nicht dieser Raum, der an das von Bürgermeister Klaus von Dohnanyi 1984 in letzter Minute abgelehnte ökologische Projekt zur Wiederbelebung des durch Elbschlick verseuchten Spülfeldes Altenwerder erinnert. Ein kleiner Widerhaken, immerhin, eine Prise Abrechnung auch – unverzichtbarer Bestandteil einer Betrachtung des „Phänomens Elbe“ eben.

Die natürlich nicht vollständig wäre ohne einen Hauch Seemannsromantik; eine kleine Brechung aber auch hier: Interviews mit philippinischen Matrosen hat die junge Künstlerin Annika Kahrs im Altonaer Seemannsheim geführt und auf Video dokumentiert. Die beiden jungen Männer lächeln freundlich. Aus der Tatsache, dass neunmonatige Einsätze nicht familientauglich sind und dass die fortschreitende Personalreduzierung auf Containerschiffen ständig wachsenden Stress bedeutet, machen sie indes keinen Hehl. „Wenn ich in meiner Heimat einen Job für dasselbe Geld finden könnte, nähme ich ihn sofort“, erzählt einer von ihnen. „Aber das Leben ist nicht so.“ Er lächelt, als er das sagt. Aber nicht mit den Augen.

Die Ausstellung ist bis zum 15. 11. 2007 im Altonaer Museum zu sehen. Geöffnet Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr