Vertreibung aus Kalahari-Wüste illegal

Ein Gericht in Botswana erklärt die Zwangsumsiedlung der letzten San-Ureinwohner des Landes für unrechtmäßig. Die botswanische Regierung hatte die „Buschmänner“ aus ihrer angestammten Heimat vertrieben, wo es Diamanten gibt

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Die ursprünglichen Bewohner der Kalahari-Wüste im südlichen Afrika haben doch ein Recht auf ihr angestammtes Land. Die Umsiedlung der letzten Gruppe von sogenannten „Buschmännern“ in Botswana aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet war illegal, urteilte gestern ein Gericht in der Stadt Lobatse. Das Urteil fiel gestern Nachmittag mit der Mehrheit von zwei Richtern gegen einen, wobei der Vorsitzende Richter zunächst für die Regierung befunden hatte. Die Konsequenzen aus dem überraschenden Richterspruch waren gestern noch unklar. Die Regierung kann Berufung einlegen.

Sollte das Urteil Bestand haben, hätte der vierjährige Kampf des San-Volkes gegen seine Vertreibung aus der Kalahari vorerst ein Ende. Über 200 Ureinwohner Botswanas waren vor zwei Jahren mit ihrer neu gegründeten Organisation „Die ersten Menschen der Kalahari“ unter Führung von Roy Sesana vor Gericht gezogen, um ihre Zwangsumsiedlung durch die Regierung Botswanas als unrechtmäßig anzufechten. 2002 waren rund 2.200 bis dahin in der Wüste verbliebene San-Ureinwohner zwangsweise aus ihrem Schutzreservat „Central Kalahari Game Reserve“ vertrieben und in notdürftig errichtete Lager gebracht worden. Die Regierung behauptete, damit den Lebensstandard der „Buschmänner“ zu verbessern, denn das Leben als Jäger und Sammler sei längst vorbei. Botswana hat sich mit diesem Vorwand immer verteidigt und wischte die eingeforderte Existenzberechtigung der San auf ihrem seit mehr als 20.000 Jahren angestammten Lebensgebiet vom Tisch mit der Begründung, es handele sich um Regierungsland.

Doch die San beschuldigen Botswana, sie vertrieben zu haben, um ungestört Diamanten in der Halbwüste der Kalahari schürfen zu wollen. Das sei der wahre Grund, warum sie hätten gehen müssen. Botswana hingegen behauptet, die dortigen Diamantenvorkommen seien unrentabel, und auch der in Botswana tätige südafrikanische Minengigant De Beers weist solche Interessen ab. Ein Recht auf Landbesitz seitens der Ureinwohner würde es allerdings für die Regierung erschweren, die an Diamanten und Mineralien reiche Kalahari auszubeuten.

Das dünn besiedelte Botswana ist mit der Ausbeutung seiner großen Vorkommen an Industriediamanten schnell reich geworden und gilt als Musterland der vernünftigen Rohstoffextraktion in Afrika. Allerdings verteilt sich der Wohlstand ungleich auf die Bevölkerung. Die Gemeinden der San sind schlecht integriert; Arbeitslosigkeit, Identitätsverlust und Armut tragen bei zu weit verbreitetem Alkoholismus und sozialem Abstieg. Die Regierung behauptet daher, es sei eine verklärte Vorstellung des Westens, die San würden noch leben wie zu Urzeiten.

Früher bevölkerten Millionen von „Buschmännern“ das südliche Afrika, heute sind es nur noch etwa 100.000, davon lebt fast die Hälfte (48.000) in Botswana. Die meisten waren bereits vor der Umsiedlung in 63 Wohngebiete umgezogen. Viele bevorzugen angeblich den neuen Lebensstil mit Möglichkeiten auf Schulbildung, aber sie wollen dennoch das Landrecht ihrer Vorahnen sichern. Die in der Kalahari verbliebenen Stämme der San berichteten ihrerseits von brutalem Vorgehen bei der Umsiedlung. Wassertanks seien aus ihren sechs Wohngebieten in dem 52.000 Quadratkilometer großen Reservat weggeschafft und Jagdberechtigungen entzogen worden. Auch Botswanas Opposition und internationale Persönlichkeiten wie Erzbischof Desmond Tutu haben sich für das Überleben der San auf ihrem Land stark gemacht.