Standing Ovations für nix

Clemens Schink vom Schauspiel Hannover spielt im aktuellen James Bond. Sein Charakter ist Schurken-Handlanger und hat nichts zu sagen. Vergangene Woche sah er sich mit seinen Theaterkollegen den Film in Hannover an und das Kinopublikum applaudierte sich die Hände wund

Der große Saal im Cinemaxx ist fast leer zur Spätvorstellung von „Casino Royale“. Nur in den hintersten fünf Reihen verteilen sich drei Männercliquen und eine Hand voll Presseleute. Als die Werbung schon läuft, schleicht sich ein Haufen kichernder junger Menschen rein, die in ihren Parkas aus dem Kleidermarkt und den so gar nicht bondgirligen Frauen etwas verlaufen wirken. Es ist das Team vom „Zerbrochenen Krug“ am Schauspiel Hannover. Halb so wild. Aber dann: Der Star betritt das Kino, die Damen und Herren vom Fernsehen springen auf und zücken die Kameras. Ich, kameralos und mit zu wenigen Dioptrien ausgestattet, bin überzeugt, dass Ian Flemings direkter Nachkomme im Türrahmen steht. In kompletter James-Bond-Montur, mit schwarzem Anzug und bis auf ein kleines, stolzes Lächeln mimiklos vor Coolness. Das ist Clemens Schick, Jahrgang 72. Ein mehr oder weniger Hannoveraner im neuen Bond. Vom Schauspielhaus nach Hollywood, juhuu!

In „Casino Royale“ mimt er Kratt, des fiesen Fieslings rechte Hand. Kratt ist skrupel- und vor allem sprachlos. Seine drei Sätze wurden auf einen halben zusammengeschnitten. Klar, der Beißer hat auch nicht gesprochen und blieb als Fiesling dennoch im Gedächtnis. Kratts Zähne sind aber so weit gesund und seine Mordmethoden nicht besonders ausgefallen. Auch ist er weder der weiße Perserkater auf dem Arm des Oberbösewichts Le Chiffre (gespielt vom „Adams Äpfel“-Dänen Mads Mikkelsen) noch dessen Mini-Me. Knappe zehn Minuten nach Filmbeginn hat Clemens Schick seinen ersten Auftritt – er steigt aus einem Auto, guckt kalt und das Kinopublikum applaudiert sich die Handflächen wund.

Er, der den Monolog „Windows oder Müssen wir uns Bill Gates als einen glücklichen Menschen vorstellen?“ hielt. Er, der in Joanna Laurens „Fünf Goldringe“ spielte und Stücke wie „Was ihr wollt“ und „Peer Gynt“ bereicherte. Clemens Schick, der vier Jahre fest am Schauspielhaus engagiert war, erntet Standing Ovations für eine Statistenrolle. Müssen wir uns Clemens Schick als einen sarkastischen Menschen vorstellen? Nein. Geld-Jobs beim Fernsehen hat es auch vorher schon gegeben.

Seit fünf Jahren hat Schick nach eigenen Angaben das brotlose Künstlerleben hinter sich – dank Gastauftritten in RTL-Serien kann er sich mittlerweile die Teilnahme an schöngeistigen Low-Budget-Hochschulfilmen erlauben. Momentan ist er noch in Tschechows „Drei Schwestern“ an der Berliner Schaubühne zu sehen, ab Anfang nächsten Jahres dann wieder im Schauspiel Hannover, eben im „Zerbrochenen Krug“. Clemens Schick ist eine große Nummer, also schauen Sie ihn sich doch bitte in richtigen Rollen an. „Als ich das Drehbuch las, war ich erst einmal enttäuscht“, sagt er. „Ich fragte mich: Wo sind meine inneren Konflikte? Aber die gibt es natürlich nicht.“ Wie denn auch? Nur so viel: In „Casino Royale“ geht es um eine Killermaschine von Mann. Während eines millionenschweren Pokergezockes nimmt James Bond einen offensichtlich todbringenden Drink von der Bettgespielin seines blutweinenden Erzfeindes an, um sich anschließend selbst wiederzubeleben. Mit dem Defibrilator, der in seinem Handschuhfach liegt. Absurd wird es natürlich erst, als er kurze Zeit später wieder in der Lage ist, putzmunter am Pokertisch zu sitzen. So viel zum Film.

Im zerbrochenen Krug geht es um Machtspiele, Liebe und Opfer. Es ist ein großartiges Theaterstück mit back to the roots-Charakterdarsteller Clemens Schick als Gerichtsrat. Schauen Sie es sich an. Für England.JESSICA RICCÒ