„Der Dollar-Crash ist eigentlich sicher“

Heinz-Ulrich Eisner hat die Kasseler Regionalwährung BürgerBlüte initiiert, denn er ist vom Zusammenbruch der weltweiten Finanzmärkte überzeugt. Außerdem will er verhindern, dass sich die Kapitalbesitzer alle Wachstumsgewinne aneignen

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN

taz: Herr Eisner, hat sich die Bundesbank schon bei Ihnen gemeldet?

Heinz-Ulrich Eisner: Nein, warum sollte sie?

Es ist verboten, Geld in Umlauf zu bringen.

Wir drucken kein Geld, wir geben Gutscheine aus. Die Kasseler BürgerBlüte geht nur an Vereinsmitglieder.

Und die gehören alle zur Alternativszene in Kassel?

Nein, wir sind selbst überrascht. Es beteiligen sich Rentner und junge Leute, Menschen mit eher politischem, aber auch mit christlichem oder anthroposophischen Hintergrund.

Momentan laufen BürgerBlüten mit einem Gesamtwert von 7.300 Euro um. Das wirkt wie ein Nischenprojekt.

Wir haben ja auch erst im Frühjahr angefangen! Und wenn etwa die Apotheke die Blüten annimmt, im Nachbarstadtteil sitzt und nicht bei mir um die Ecke, dann bedeutet das im Moment auch längere Wege.

Was nutzt es, wenn eine Apotheke Regiogeld annimmt? Sie verkauft trotzdem Aspirin vom Weltkonzern Bayer.

Immerhin kann die Apotheke vor Ort vielleicht gegen die Internetangebot mithalten. Aber es gab tatsächlich lange Diskussionen, ob wir moralische Grenzen setzen. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, denn das hätte nur zu mühsamen Debatten geführt. Es reicht uns, dass jedes Unternehmen die Region fördert, indem es an der BürgerBlüte teilnimmt.

Die Theorie des Regiogeldes ist ja nicht ganz einfach (siehe Kasten). Wie erklären Sie es in drei Sätzen am Info-Stand in der Fußgängerzone?

Die Hauptbotschaft verstehen die Leute sofort: Geld ist das zentrale Herrschaftsmittel im globalisierten Kapitalismus. Jeder sieht doch die geschlossenen Läden in seinem Stadtteil.

Trotzdem: Drei Sätze über Ihre Zinstheorie.

1. Sie kennen doch bestimmt diese Rechnung: Wenn man zu Christi Geburt einen einzigen Cent zu 5 Prozent Zinsen angelegt hätte, dann wäre heute ein Gegenwert von etlichen Erdkugeln in reinem Gold erreicht. Der Zinseszins wächst exponentiell, und das passt nicht zu einem endlichen Planeten.

2. Bei einem verliehenen Stück Butter kämen Sie auch nicht auf die Idee, Zins zu verlangen. Geld ist ein besonderes Gut: Es ist nicht verderblich und es verursacht keine Lagerkosten. Dadurch hat Geld einen strukturellen Verhandlungsvorteil gegenüber allen anderen Waren – und nur dafür wird der Zins gezahlt.

3. Die reale Wirtschaft wächst langsam – aber der Zinseszins wächst immer schneller. Inzwischen eignen sich die Kapitaleigner die gesamten Wachstumsgewinne an. Deswegen steigen seit 15 Jahren die Reallöhne trotz Wachstum nicht. Und jetzt fangen sie sogar an zu fallen.

In Ihrer Theorie ist der Crash unvermeidlich. Wann bricht das weltweite Finanzsystem zusammen?

Es kann jederzeit passieren, vielleicht aber auch erst in 10 Jahren.

Das klingt nach einem baldigem Ende der Globalisierung.

Für all die Dollars, die rund um den Globus gehortet werden, erbringt die USA keinen hinreichenden Gegenwert. Der Crash ist eigentlich sicher. Nur was ihn auslöst, ist unklar.

Und in einer weltweiten Finanzkrise ist ausgerechnet die kleine BürgerBlüte eine Art Rettungsboot?

Hoffentlich. Nach dem Börsen-Crash 1929 haben sich weltweit regionale Währungen gebildet, die teilweise sehr erfolgreich waren.