Streit um Treu und Glauben

GASPREISE Verbraucherzentrale wirft SWB vor dem Landgericht Irreführung vor – weil diese behauptet, ihre Kunden hätten 2006 höhere Gaspreise akzeptiert

Die SWB ist auch nach Auffassung des Bremer Landgerichts grundsätzlich verpflichtet, die seit 2004 mehrfach erhöhten Gaspreise zurückzuerstatten. Das machte der Vorsitzende Richter Ingo Behrens am ersten Verhandlungstag im Zivilverfahren gestern deutlich. Weil es sich bei den Preiserhöhungen um eine „ungerechtfertigte Bereicherung“ gehandelt habe, komme es auch nicht darauf an, ob die Kunden diesen widersprochen haben, sondern nur darauf, dass die Verjährung durch den Gang vor Gericht gehemmt wurde. Geklagt hatte der Bundesverband derVerbraucherzentralen (VZ) im Namen von acht GaskundInnen. Ein Urteil wird im Sommer 2011 erwartet.

Bis dahin ist vor allem zu klären, ob die SWB zum 1. Oktober 2006 auf wirksame Weise einen neuen Gaspreis eingeführt hat. Damals hatte sie allen Sondervertrags-KundInnen gekündigt und ihnen zugleich neue Verträge angeboten – mit höheren Gaspreisen. Zu Recht, findet die SWB, und das Landgericht folgte ihr darin zunächst. „Unzulässige Preiserhöhungen“ habe es zwar „auch danach noch“ gegeben, so Behrens. Den Rückzahlungsansprüchen ab Oktober 2006 sei aber der neue Basispreis zugrunde zu legen. Das reduziert die Summe erheblich.

Verbraucherzentralen-Rechtsanwalt Michael Peter widersprach vehement: Er verwies auf tausende von Widersprüchen gegen die Preiserhöhungen, die der SWB damals schon vorlagen, und führte die breite öffentliche Diskussion ins Feld. Vor diesem Hintergrund sei auch die Zusage der SWB in ihren damaligen Schreiben zu bewerten, wonach der Gaspreis von der Vertragsumstellung „nicht berührt“ werde. „Bei den Verbrauchern musste der Eindruck entstehen, dass das keine Auswirkungen hat“, unterstrich Peter.

In Gesprächen, so berichtete die Bremer VZ-Chefin Irmgard Czarnecki, habe das Unternehmen damals versichert, die neuen Verträge hätten „keine Auswirkungen“ auf den laufenden Preisstreit. Dass die SWB dies heute bestreite, sei „frech“. Die VZ hatte damals geraten, die neuen Verträge zu akzeptieren – andernfalls wäre den KundInnen mangels anderer Gasanbieter nur der noch teurere SWB-Grundversorgungstarif geblieben. Im Rückblick, räumte Czarnecki gestern ein, sei es „naiv“ gewesen, nicht auf einer expliziten und schriftlichen Bestätigung der SWB-Zusagen bestanden zu haben. „Das würde ich nie mehr so machen.“

SWB-Vorstand Torsten Köhne sagte, man fühle sich nach der Verhandlung „im bisherigen Vorgehen bestätigt“. Das Landgericht habe zudem offen gelassen, ob das Unternehmen nicht ausnahmsweise berechtigt gewesen sei, die Preise zu erhöhen. Dies kommt laut Gericht in Betracht, wenn ein „Missverhältnis zwischen Gaspreis und Leistung“ vorgelegen hat – was sich abschließend nur durch Offenlegung der SWB-Zahlen gutachterlich klären lässt.

Anders als der Energieversorger wertet offenbar die Prozessfinanzierungsfirma metaclaims den Prozesshergang: Sie kündigte an, bis Jahresende auch eine Sammelklage einzureichen. Nun sucht sie Gaskunden, die ihr Klagerecht an sie abtreten – gegen Gewinnbeteiligung. SIM