Bänke gehen nicht in Ordnung

SELBER MACHEN Wenn man auf einer beliebten Flaniermeile nur zum Konsumieren sitzen darf, stellen freundliche Anwohner eben freie Sitzgelegenheiten auf. Eigentlich doch nett. Ein Fall aus Kreuzberg zeigt aber, dass das für das Ordnungsamt viel zu kurz gedacht ist

„Ich wünsche mir mehr Augenmaß vom Ordnungsamt“

JONAS SCHEMMEL, GRÜNE

VON CLAUDIUS PRÖSSER

Eine Baumarktkette wirbt aktuell mit Spots, in denen Menschen mit Balken und Spanplatten ihren urbanen Lebensraum perfektionieren: Zum Beispiel zimmern sie eine Brücke über einen Kanal. Der Slogan: „Mach was gegen hässlich.“ Er könnte auch heißen: „Bau dir deine eigene Stadt.“ Ein populärer Gedanke, der in Berlin jedoch oft schon im Keim erstickt wird – etwa beim Umgang mit Baumscheiben.

Baumscheiben, das sind die unversiegelten Rechtecke rund um Straßenbäume, die oft genug zur Ablage für Müll und Hundehaufen werden. Ihre Begrünung oder Gestaltung ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Davon profitieren im Normalfall Baum und Anwohner gleichermaßen, der eine durch Pflege, die anderen ästhetisch. Allerdings haben alle Bezirke ein mehr oder weniger strenges Regelwerk, und die Ordnungsämter machen damit so manchem das Leben schwer.

Das zeigt das Beispiel von Ursula Götz: Die Mittfünfzigerin betreibt zwei Läden an der Kreuzberger Bergmannstraße, sie ist im Kiez verwurzelt und wohnt auch hier. Vor 20 Jahren fing sie damit an, eine Baumscheibe zu bepflanzen, später kam eine zweite hinzu. Einfach so, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Seit sie auf beide je eine kleine Spalierbank gestellt hat, gibt es Probleme mit dem Ordnungsamt. Auch dieses Jahr will man den Bänken an die Latten: „Im März kamen vier Mitarbeiter, haben Fotos gemacht und alles vermessen.“ Im April dann forderte man Götz unter Androhung eines Bußgelds auf, alles unverzüglich zu entfernen – auch die Pflanztöpfe mit Hortensien und Rosen.

„Ich bin total sauer“, sagt die Kreuzbergerin. „Alle können die Bänke nutzen und tun das auch. Mütter mit Kindern, Alte, Touristen. Es gibt ja keine einzige öffentliche Sitzgelegenheit zwischen Mehringdamm und Marheinekeplatz.“ Und während sich die NutzerInnen laut Götz „freuen wie verrückt“, ist sie davon überzeugt, dass auch das Straßengrün keinen Schaden nimmt. Ein Gärtner kümmert sich in ihrem Auftrag um die Pflege der Blumen und gießt im Sommer die Bäume gleich mit.

Schön und gut, sagt Joachim Wenz, Leiter des Ordnungsamts von Friedrichshain-Kreuzberg. Auch für ihn sei bürgerschaftliches Engagement „im Prinzip ein Wert an sich“. Es gebe aber Regeln, die einzuhalten seien, um Beschädigungen von Stamm und Wurzeln zu verhindern. Dass man nur Sitzgelegenheiten mit einer Sitztiefe von höchstens fünfzehn Zentimetern und ohne Lehne toleriere, hänge auch damit zusammen, dass sich sonst schon mal trinkende und lärmende Menschen niederließen. Auch bauten manche Leute Dinge und kümmerten sich irgendwann nicht mehr: „Dann müssen wir das am Ende entsorgen.“

Auch die Ordnungsämter anderer Bezirke haben etwas gegen zu viel Sitzplätze. Aus Mitte berichteten Anwohner, dass ihre Bänke plötzlich einfach verschwunden waren. Diebstahl? Angesichts des geringen Sachwerts unwahrscheinlich.

Tatsächlich sind die Regeln für Sitzgelegenheiten überall besonders streng. Gärtnerisches wird eher gefördert, allerdings unterscheiden sich die Kriterien von Bezirk zu Bezirk: In Mitte etwa sind Einzäunungen zum Schutz vor Hunden verboten, Neukölln liefert sogar eine Art Bauplan.

Dass die Behörden städtische Interventionen mit solchem Argwohn begegnen, ist eindeutig wider den Zeitgeist: Der neourbane Jargon kennt sogar schon einen Terminus für dieses nichtkommerzielle Aufstellen von Bänken: Analog zu den „Samenbomben“, die auf triste Grünflächen Blumen zaubern, spricht man von „Bench Bombing“.

Aber es gibt Gegenbewegungen in der Politik: „Ich würde mir vom Ordnungsamt mehr Augenmaß wünschen“, sagt Jonas Schemmel, Sprecher der Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg – „bei allem Verständnis für die Notwendigkeit von Regeln.“ Mit ihren begrenzten Kapazitäten solle die Behörde lieber andere Schwerpunkte setzen, etwa gegen Falschparker auf Radwegen vorgehen.

Dem Bench Bombing gegenüber ist man in der mit Abstand stärksten Fraktion in dem Bezirk also positiv eingestellt – wobei, so Schemmel, „es einen Unterschied macht, ob damit Geld verdient oder einfach die Straße schöner gemacht wird“.

Am Donnerstag wollen die Grünen im Wirtschafts- und Ordnungsausschuss der BVV das Thema diskutieren. Für die Bänke von Ursula Götz, an denen niemand etwas verdient, von denen aber alle profitieren, sieht es so lange schlecht aus.