Synagogen-Gedenkstein geschändet

Nach dem Gedenken an die Pogromnacht 1938 verwüsten Jugendliche in Frankfurt (Oder) Blumen und Kerzen am Ort der ehemaligen Synagoge. Die Polizei begrüßen sie mit „Sieg Heil“-Rufen. Auch die NPD soll in der Stadt Fuß fassen, sagt die PDS

AUS BERLIN UWE RADA

Noch am Nachmittag des 9. November hatte Brandenburgs Ministerpräsident vor der ehemaligen Synagoge in Potsdam gefordert: „Wir haben Anlass, den Anfängen zu wehren.“ Einen Tag später zeigte sich Matthias Platzeck fassungslos: „Ich bin entsetzt. Solche Exzesse dürfen wir in Brandenburg nicht hinnehmen.“ Zuvor war bekannt geworden, dass in Frankfurt (Oder) nach einer Veranstaltung zum Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 der Gedenkstein für die Synagoge geschändet worden war.

Wie in Potsdam hatten sich auch in Frankfurt am Donnerstag Nachmittag 150 Bürger versammelt, um am Gedenkstein an der Karl-Marx-Straße Blumen niederzulegen. Schon da war es nach Polizeiangaben in einiger Entfernung zu ersten Störungen durch alkoholisierte Jugendliche gekommen. Mehrmals sprach die Polizei Platzverweise aus. Zwei Stunden nach den Feierlichkeiten wurde der Gedenkstein gegen 20 Uhr geschändet.

Wie die Polizei mitteilte, hatten die Täter Blumengebinde vom Stein gerissen und Kerzen auf die Straße geworfen. Als die Polizei eintraf, wurde sie von der Jugendlichen mit „Sieg Heil“-Rufen empfangen. 16 Personen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren wurden festgenommen. Einige von ihnen sind laut Polizei „einschlägig bekannte Personen der rechten Szene“.

Für den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt (Oder), Yosyp Vaysblat, fielen die Vorfälle nicht nur mit dem Gedenken an die Pogromnacht zusammen. „Wir haben im Anschluss an die Feier in den Räumen der Gemeinde die neue Ausstellung besichtigt.“ Ihr Thema: die Geschichte der Juden in Frankfurt von 1294 bis 1994. „Auch ein Modell der alten Synagoge wurde in den Gemeinderäumen präsentiert“, sagt Vaysblat. Heute zählt die Frankfurter Jüdische Gemeinde 230 Mitglieder, viele von ihnen kommen aus der ehemaligen Sowjetunion.

Trotz der Ereignisse hat sich Vaysblat inzwischen bei den Frankfurtern bedankt. Der Grund: Über 200 von ihnen waren gestern noch einmal am Synagogengedenkstein zusammengekommen. „Sie haben erneut Blumen niedergelegt“, sagte Vaysblat der taz. „Das war eine gute Geste.“ Frankfurts Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) meinte: „Ich werde hundertmal wiederkommen und Blumen niederlegen.“ Heute wird in den Räumen der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) erwartet.

Der wird sich wie auch OB Patzelt einige unangenehme Fragen anhören müssen. „Wir beobachten schon seit einiger Zeit, dass sich die rechte Szene in Frankfurt neu organisiert“, sagte der PDS-Landtagsabgeordnete und ehemalige Frankfurter Sozialarbeiter Frank Hammer der taz. Vor allem im Umfeld des Fußballclubs Victoria hätte sich eine Hooligan-Szene herausgebildet, die der von Dynamo Dresden in nichts nachstehe.

Aber auch die NPD sei dabei, in Frankfurt Fuß zu fassen. Verantwortlich dafür ist laut Hammer der ehemalige NPD-Stadtverordnete Jörg Hähnel. „Der ist ein Intimus des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt und sitzt im Bezirksparlament von Berlin-Lichtenberg.“ Von dort aus, meint Hammer, wollen die Rechtsextremen den Antritt bei den Kommunalwahlen 2008 in Frankfurt vorbereiten.“ Hammer weiter: „Wir werden langsam eingekreist.“

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verwendens verfassungswidriger Symbole aufgenommen. Ein Sprecher sagte, einige der Festgenommenen würden dem Haftrichter vorgeführt.