Wiener Tatort "Kinderwunsch": Viel Geld, große Sehnsüchte

Die Kinderwunschindustrie gerät nach dem Mord an einer Journalistin ins Visier der Wiener Fahnder. Denen fehlt leider die dramaturgische Feinabstimmung. (ARD, Mo., 20.15 Uhr)

Karin Brandstätter (Fanny Stavjanik) ermittelt mit Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer). Bild: rbb/orf/petro domenigg

Fruchtbarkeit hat einen Namen: Invitral. In ganz Linz hat die Kinderwunschklinik Plakate mit strahlenden Babygesichtern aufgehängt ­­- welche vergeblich sich nach Mutterschaft sehnende Frau würde da nicht schwach? Zumal das privatwirtschaftliche Unternehmen bei seinen künstlichen Befruchtungen hohe Erfolgsquoten aufweist. Verdächtig hohe Erfolgsquoten, wie Kritiker meinen.

Ins Blickfeld des Wiener Sonderermittlers Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seiner Linzer Kollegin Karin Brandstätter (Fanny Stavijanik) gerät Invitral nach dem Mord an einer Enthüllungsjournalistin. Die Autorin, die gerade selbst ein Baby zur Welt gebracht hat, saß offenbar an einer Geschichte über die kommerziellen Komponenten von In-Vitro-Fertilisation, Insemination und anderen künstlichen Befruchtungstechniken. Nun treibt sie tot in der Donau.

Die boomende Kinderwunschindustrie ist eigentlich ein Thema wie geschaffen für ein Krimi-Drama: Es geht um viel Geld, große Sehnsüchte und allerlei komplizierte Gesetze. Eine hoch brisante Mixtur also. Vor drei Jahren wurde der Stoff schon mal im Kieler Tatort „Sternenkinder“ als blutiger Pränatal-Schocker aufbereitet; in dieser österreichischen Episode nun, das ist ehrenwert, geht es eher um die psychologischen und gesellschaftspolitischen Implikationen.

Doch leider werden die Macher von „Kinderwunsch“ (Buch: Thomas Braun, Regie: Walter Bannert) ihrem eigenen Anspruch kaum gerecht. Sie reißen alle Aspekte an, führen jedoch keinen so recht aus. Nebenbei werden zum Beispiel die recht unterschiedlichen juristischen Beschränkungen der Pränatalmedizin in Europa thematisiert. Ein Umstand, der zu einem regelrechten Befruchtungstourismus geführt hat.

Darauf wird hier leider ebenso nur am Rande eingegangen wie auf die psychologischen Komponenten: Denn bald stellt sich heraus, dass die Linzer Klinik bei der Erfolgsquote nachgeholfen hat - indem sie die Eizellen der Möchtegernmutter mit Fremdsperma befruchtet hat. Ein Bauer, dem Eisner seinen Befund mitteilt, distanziert sich sogleich vom dem nun als nicht leiblich entlarvten Sohn. Das sture Verdikt des Kommissars: Der Landwirt sei moralisch irgendwie trotzdem der Vater.

Aber Ermittler Eisner hat in dieser dramaturgisch unausbalancierten Episode sowieso kaum Zeit für ethische und biologische Feinabstimmungen. Hat er sich doch gerade in eine geheimnisvolle und glutäugige Musikdozentin (Dorka Gryllus) verguckt, die ihm nachts nach ausgedehnten Candlelight-Dinners noch romantische Etüden auf dem zufällig in seiner Mietwohnung rumstehenden Flügel spielt.

Der gesellschaftspolitisch aufgeladene Kinderwunsch-Komplex wird hier also ziemlich stiefmütterlich behandelt – und am Ende gar desavouiert. Denn wie sich herausstellt, ist Kollegin Brandstätter, die während der Untersuchungen unentwegt fettige Nahrungsmittel hin sich hinein stopfte, schwanger mit ihrem dritten Kind. Da wird latent der Biologismus der natürlichen Empfängnis gegen die Errungenschaften moderner Pränatalmedizin ausgespielt. Ganz nach dem Motto: Wer wird es sich denn so schwer machen, wenn es auch ganz einfach geht. Irgendwie perfide.

Tatort "Kinderwunsch" (ARD, Pfingstmontag, 20.15)

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