Im Knast

ITALIEN Ex-Innenminister Scajola soll einem Parteifreund zur Flucht verholfen haben

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Der ehemalige Innenminister Claudio Scajola sitzt seit Donnerstag in Haft. Die Antimafia-Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria wirft dem Schwergewicht der Berlusconi-Partei Forza Italia vor, einen wegen Unterstützung der kalabrischen ’Ndrangheta zu fünf Jahren Gefängnis verurteilten Parteifreund bei der Flucht ins Ausland unterstützt zu haben.

Damit rücken zwei Personen ins Scheinwerferlicht, die geradezu beispielhaft für die Korruptions- und Mafiaverstrickungen des Berlusconi-Lagers stehen. Der Reeder Amedeo Matacena aus Reggio Calabria saß in den Jahren von 1994 bis 2001 im Parlament und geriet schon damals ins Visier der Ermittler: Er pflegte innige Kontakte zu ’Ndrangheta-Bossen in seiner Heimatstadt Reggio Calabria.

Das trug ihm 2013 die letztinstanzliche Verurteilung ein. Matacena aber setzte sich nach Dubai ab. Dort wurde er zwar von den italienischen Fahndern aufgespürt, doch die Vereinigten Arabischen Emirate lehnten seine Auslieferung ab. Eine weitere – noch nicht in letzter Instanz bestätigte – Haftstrafe von vier Jahren erhielt Matacena zudem, weil er Richter des Verwaltungsgerichts bestochen haben soll, um eine für seine Reederei günstige Entscheidung zu bewirken.

Auch der Mann, der ihn bei der Flucht tatkräftig unterstützt haben soll, ist kein unbeschriebenes Blatt. Scajola war über Jahre hinweg einer der mächtigsten Protagonisten Forza Italias. Im Jahr 2001 wurde er Innenminister und verantwortete in dieser Position auch die Polizei-Gewaltorgie beim G-8-Gewaltgipfel in Genua.

Ein Jahr später musste er gehen. Die Polizei hatte dem von den Roten Brigaden bedrohten Arbeitsrechtler Marco Biagi den Begleitschutz entzogen. Biagi wurde kurz darauf 2002 von den Linksterroristen erschossen.

Damit nicht genug: Nach dessen Tod schmähte Scajola das Opfer als „Nervensäge“ – dies kostete ihn den Ministerstuhl. Bald darauf aber war Scajola wieder da. Zuletzt diente er seinem Herrn Berlusconi von 2008 bis 2010 als Wirtschaftsminister.

Auch dieses Amt aber musste er per Rücktritt räumen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, beim Kauf einer Luxuswohnung in Rom unter dem Tisch von einem Bauunternehmer den satten Zuschuss von 600.000 Euro erhalten zu haben. Scajola ging in die Justizgeschichte Italiens mit der Auskunft ein, er sei „ohne eigenes Wissen“ bestochen worden, da er beim Notartermin gerade den Raum verlassen hatte, als der dicke Scheck über den Tisch wanderte.

Diese Ausrede trug Scajola viel Häme vom Kabarett ein – die Justiz aber nahm sie für bare Münze: Im Januar 2014 wurde er in Rom von Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen. Die politische Karriere Scajolas aber neigte sich schon vor seiner jetzt erfolgten Verhaftung dem Ende zu. Ausgerechnet Berlusconi, der gerade als rechtskräftig verurteilter Steuerbetrüger Sozialstunden ableistet, war der Meinung, Scajola sei als Kandidat nicht präsentabel.