Mit gefälschten Unterschriften

BULGARIEN Datenskandal der besonderen Art. Zu ihrer eigenen Überraschung fanden sich Hunderte Bürger als Unterstützer von Parteien auf Listen zur Europawahl wieder

VON ELENA SAVOVA

BERLIN taz | Der Auftakt zum Wahlkampf zu den EU-Wahlen ist in Bulgarien von einem handfesten Skandal überschattet. Viele Bulgaren mussten überrascht feststellen, dass sie ohne ihr Wissen die Teilnahme von einer oder sogar mehreren Parteien an der Europawahl am 25. Mai mit ihrem Namen unterstützen. Das trifft sogar für Transportminister Danail Papazov als auch für viele Musiker der Sofioter Philharmonie zu.

Um an der Europawahl teilnehmen zu können, mussten die Parteien eine Liste mit den Namen von mindestens 2.500 Unterstützern einreichen. Neben dem Namen müssen auf dieser Liste auch die persönliche Unterschrift sowie eine spezifische persönliche Identifikationsnummer (EGN) vermerkt sein. Diese Nummern enthalten wichtige personenbezogene Daten – wie das Geburtsdatum, den Geburtsort und natürlich auch das Geschlecht. Eigentlich sollten diese Daten geheim sein und streng geschützt werden.

Um eine mögliche Unterstützung für eine Partei oder Plattform nachverfolgen zu können, hat die bulgarische Zentrale Wahlkommission laut einem 2014 verabschiedeten Gesetz eine Onlineplattform eingerichtet. Dort können die Bürger überprüfen, ob und wenn ja auf welcher Parteiliste sie eingetragen sind.

In weniger als zwei Tage gingen jetzt bei den Behörden über 200 Beschwerden von Bürgern ein, die erklärten, dass sie überhaupt keine Unterstützungsunterschrift für irgendeine Partei geleistet haben. Tatsächlich dürfte die Anzahl der Fälle von Datenmissbrauch weitaus höher liegen.

Grundsätzlich geht es bei all diesen Fällen um die Unterschriftenfälschung als auch um Datendiebstahl, da die EGN nicht öffentlich zugänglich sein sollte. Der Staatsbürgerbeauftragte Konstantin Pentschew, dessen Name auch unautorisiert auf einer Liste steht, hat auf ein vermutliches Netzwerk hingewiesen, in dem mit Daten gehandelt wird. Dabei stellt sich die Frage, wie der Zugriff auf die Daten erfolgte. Mögliche Einfallstore sind Branchen, die traditionell große Menge persönlicher Daten bearbeiten, wie Reisebüros und Hotels, sowie Unterstützerlisten verschiedener Bürgerinitiativen. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass Datenbanken der Behörden gehackt wurden. Auf jeden Fall ist deutlich geworden, dass sich niemand auf die Unverletzlichkeit seiner personenbezogenen Daten verlassen kann.

Bulgarien will dem Beispiel des progressiven Baltikumstaates Estland folgen und in den kommenden Jahren eine elektronische Verwaltung aufbauen. Sofia hofft, so die Bürokratie zu verschlanken, um dadurch Investitionen ins Land zu holen. Ohne ein funktionierendes System des Datenschutzes und Vertrauen in das Verwaltungssystem ist das aber nicht möglich.

Von dem Datenskandal sind fast alle Parteien betroffen – etablierte wie die bis vor einem Jahr regierende Gerb, aber auch exotische, alternative Gruppen. Besonders bei den kleinen Parteien sind die Verstöße frappant.

Die Parteien beharren darauf, dass sie und ihre Mitglieder nicht gesetzwidrig gehandelt hätten, manche beschuldigen den politischen Gegner oder unbekannte „Diversanten“. Der Umfang des Skandals lässt aber auf eine allgemeine Vorgehensweise schließen, die besorgniserregend ist. Er gefährde das Vertrauen in das Wahlsystem und könne die Wahlbeteiligung verringern, meint der Staatsbürgerbeauftragte Pentschew.

Die konkreten Konsequenzen der Affäre sind derzeit nicht absehbar. Unklar ist, wer dafür die Verantwortung trägt, welche Behörde den Fall verfolgen soll und welche Sanktionen verhängt werden können. Klar hingegen ist nur: Der Skandal hat auf die Registrierung der Parteien bislang keinen Einfluss.