Regionalladen mit Aussicht

HANDEL Die Zahl der Kleinunternehmer wächst, die fast nur Produkte aus der Umgebung anbieten

Zusammenschlüsse: Überall im Land haben sich in den vergangenen Jahren Bauern, Schäfer, Metzger, Käsereien und Ladenbesitzer zusammengetan. Sie wollen Produkte hoher Qualität aus ihrer Region in der Umgebung vermarkten und dabei durch gemeinsames Vorgehen effektiver sein als früher.

Beispiele: In Nordrhein-Westfalen gibt es „bergisch pur“, in der Umgebung von München „Unser Land“. Wildpastete und vieles mehr aus dem Mittelrheintal, Hunsrück und Taunus firmiert unter „Gutes vom Mittelrhein“.

VON HEIKE HOLDINGHAUSEN

Der Laden am Potsdamer Bassinplatz ist klein. Gelbe Wände, Steinfußboden, in einer langen Kühltheke sind Käse und Wurst drapiert. Draußen auf dem Platz schlendern Kunden über den Wochenmarkt, jeden Tag gibt es dort neben Ledertaschen und Kittelschürzen auch jede Menge Obst und Gemüse von Bauern aus der Region. „Die Konkurrenz ist zu groß, da brauche ich nicht einzusteigen“, sagt Jörg Mascher. Also hat er sein Geschäft auf Wurst und Käse spezialisiert, neben Nudeln, Tee, Marmelade, Wein und Schokolade.

Der 34-Jährige ist seit August – man darf sagen: stolzer – Besitzer eines Q-Regio-Ladens. Das meiste, was er anbietet, wurde in der Region von kleinen und mittelständischen Unternehmen hergestellt. Käse und Milch von Molkereien in der Uckermark, Senf aus dem Barnim, Königsberger Klopse aus Pommern. Es ist das achte Q-Regio-Geschäft in Berlin und Brandenburg. „Wir bieten besondere Produkte“, sagt Piet Wolters, „also wollten wir auch einen besonderen Ort, an dem wir sie verkaufen können.“ In seiner „Bauernkäserei Wolters“ stellt der Niederländer seit den 90er Jahren Milchprodukte her. Anfangs bot er Käse und Butter auf Wochenmärkten und in Hofläden an. Doch die verkauften Mengen waren zu klein, der Absatz zu unstet. In den Preiskampf der großen Lebensmittelketten wollte und konnte der Mittelständler nicht eintreten. Also: selbst machen mit Läden im Franchise-System.

2003 eröffnete der erste Laden im nordbrandenburgischen Prenzlau. Im vergangenen Jahr beschloss Wolters, die Handelsstrukturen „zu professionalisieren“, und gründete eine GmbH. Sie stellt den Franchise-Nehmern ein Sortiment – das individuell ergänzt werden kann – Logistik und Werbung zur Verfügung. Dafür zahlen die Ladeninhaber einmal 5.000 Euro und dann jährlich 2 Prozent des Umsatzes an Franchise-Gebühren sowie 1 Prozent für Werbung. Gesellschafter der GmbH sind neben Wolters andere Produzenten aus der Region.

„Über die Läden läuft ein großer Teil unseres Vertriebes“, sagt Angela Siebert. Die 52-Jährige aus Boitzenburg war bis zur Wende Futterökonomin in einer LPG, dann Verkaufsstellenleiterin, dann arbeitslos. Heute ist sie Geschäftsführerin des Boitzenburger Früchtezaubers und stellt mit einer Partnerin Marmeladen aus selbst gepflückten Früchten und Beeren her. Fruchtaufstrich wie „Brombeere mit Apfel“ oder „Malvenblüten“ verkaufen sie auf Bauernmärkten, in Hofläden, aber auch an Hotels und in ihrem Internetshop. 37.000 Gläser und Flaschen befüllen die beiden im Jahr. Mehr sollen es nicht werden. „Wir wollen klein bleiben und Qualität liefern“, sagt Siebert. Im Sommer und zur Erntezeit, wenn die Tagestouristen aus Berlin kommen, kann sie gut von ihrem Ertrag leben – im Winter „eher nicht“.

„Mir ist wichtig, dass jeder in der Kette leben kann. Wenn ich Waren zu billig verkaufe, bekommt irgendeiner zu wenig“

JÖRG MASCHER, LADENBESITZER

Solche regionalen Initiativen arbeiten zwar in einer Nische, sagt Guido Nischwitz, Regionalforscher am Institut für Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen, trotzdem hätten sie eine wichtige Funktion: Sie könnten eine Keimzelle für ein regionales Bewusstsein der Bevölkerung bilden und seien daher nicht allein am Marktvolumen zu bemessen. „So etwas kann Kräfte mobilisieren“, fasst Nischwitz zusammen. Allerdings könne man das Rad der Zeit nicht zurückdrehen und nur auf regionale Kreisläufe setzen, schränkt er ein.

Sein Kollege vom „Fachgebiet Ökonomie der Stadt- und Regionalentwicklung“ an der Uni Kassel, Ulf Hahne, urteilt etwas optimistischer. Initiativen wie „Unser Land“ rund um München, die „Regionalmarke Eifel“ oder eben Q-Regio in Brandenburg entstünden überall in der Bundesrepublik. Erfolg verheißt Hahne ihnen, wenn sie den Weg zu den „kaufkräftigen Großstädtern“ finden und Qualität und Mengen ihres Angebots sichern. Dann könnten regionale, kleinteilige Vertriebsstrukturen für die ländliche Entwicklung sogar erfolgversprechender sein als der Versuch, in die Regale der großen Ketten zu gelangen: „Die Erzeuger können ganz andere Preisstrategien fahren“.

„Mir ist wichtig, dass jeder in der Kette leben kann“, sagt Jörg Mascher. „Wenn ich meine Waren über billige Preise verkaufe, bekommt irgendeiner zu wenig – logisch.“ In seinem Job als Berater in der Biotechnologiebranche ist der Aachener viel in Brandenburg herumgekommen und hat entdeckt, „hier gibt es tolle Leute, und tolle Produkte“. Weil er etwas tun wollte, was „ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist“, hat er seinen Laden aufgemacht. „Ohne Q-Regio im Rücken hätte ich mich das aber nicht getraut“, sagt er. Vor allem die Logistik sei eine Herausforderung: Wie kommen Senf, Äpfel und Salami von der Uckermark nach Potsdam? „Ich kann ja nicht jede Kiste selbst abholen“, sagt Mascher. Muss er auch nicht: Ein Spediteur beliefert inzwischen im Wochenrhythmus. Allerdings: Neulich auf einem Markt hat er einen leckeren Käse von einer kleinen Hofmolkerei im Havelland probiert. Die will er sich nun genauer ansehen. „Vielleicht kommen wir ins Geschäft“.