Milliarden für den Rohstoffwandel

FORSCHUNG 2030 könnte ein Drittel der Industrieproduktion von Biotechnologie abhängen. Die Bundesregierung gibt daher 2,4 Milliarden Euro aus, um den Umbau der Wirtschaft voranzutreiben

BERLIN taz | Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen für die Wirtschaft nutzbar zu machen ist Ziel der „Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030“, die die Bundesregierung gestern in Berlin beschlossen hat. Unter Zusammenarbeit verschiedener Ministerien – etwa Forschung, Landwirtschaft, Umwelt und Entwicklung – werden in den nächsten sechs Jahren mit 2,4 Milliarden Euro Forschungsvorhaben finanziert. Zum Vergleich: Der Etat des Bundesforschungsministeriums (BMBF) liegt 2010 bei knapp 11 Milliarden Euro.

970 Millionen Euro sind für die Förderung von Institutionen wie der Max-Planck-Gesellschaft bestimmt, 1,45 Milliarden sind Projektmittel, sagte Thomas Rachel, Staatssekretär im BMBF. Vorgesehen sei keine reine Technologieförderung, neben naturwissenschaftlicher sei auch sozialwissenschaftliche Forschung relevant. Als Beispiel nannte Rachel den Zielkonflikt zwischen Ernährungssicherung und Energieproduktion, die „Tank-Teller-Debatte“. Zwar sei der Wirtschaftsfaktor vorrangig, aber er sei „nicht denkbar ohne bereits Erlerntes über Nachhaltigkeit“, so Rachel.

Die deutschen Landwirte „können locker 100 Millionen Menschen ernähren“, sagte Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, bei der Vorstellung der Strategie. Weil die Bevölkerung in Deutschland zurückgehe, eröffneten sich Bauern neue Möglichkeiten, entweder im Lebensmittelexport oder in der Rohstoffproduktion. Forschungsbedarf sieht Born vor allem bei der Pflanzenzüchtung. Biomasse müsse mehr Energie liefern, damit sich ihr Transport über längere Strecken lohne. Außerdem müssten Arten- und Sortenvielfalt erhöht werden.

Der „grundlegende industrielle Wandel“ hin auf eine pflanzliche Rohstoffbasis sei keine Zukunftsmusik, sagte Holger Zinke, Unternehmer und Mitglied im „Forschungs- und Technologierat Bioökonomie“. Es sei realistisch anzunehmen, dass 2030 ein Drittel der Industrieproduktion von der Biotechnologie abhänge. Schon jetzt wachse etwa die chemische Industrie am stärksten in diesem Bereich.

Im Bioökonomie-Rat beraten Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft die Bundesregierung. „Zivilgesellschaftliche Akteure aus dem Umwelt- oder Entwicklungsbereich sind ausgeschlossen“, kritisiert Benny Härlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Darum vernachlässige das Gremium wichtige Fragen des Verbraucher- und Umweltschutzes. HEIKE HOLDINGHAUSEN