„Linksfraktion bietet zu wenige Alternativen“

Linkspartei-Vize Katina Schubert kritisiert die Arbeit der Genossen im Bundestag mit Oskar Lafontaine und Gregor Gysi an der Spitze. Die Fusion mit der WASG müsse zu mehr führen als zu einer antineoliberalen Sammlungsbewegung

taz: Frau Schubert, am Wochenende verabschieden die Vorstände von Linkspartei und WASG die Eckpunkte einer gemeinsamen Partei. Sind Sie damit dann vereinigt?

Katina Schubert: Nein, da gibt es noch eine Menge zu diskutieren bis zur Neubildung im Sommer 2007. Wir müssen uns entscheiden, ob die neue Partei eine antineoliberale Sammlungsbewegung werden soll oder eine sozialistische Richtungspartei. Außerdem muss die Linkspartei.PDS darauf dringen, dass soziale Gerechtigkeit und Freiheitsrechte gleichberechtigt wichtig sind.Teile der WASG können damit bisher nicht so viel anfangen.

Sie wollen eine Richtungspartei – im Gegensatz zu Oskar Lafontaine. Wie geht das zusammen?

Das diskutieren wir. Eine reine antineoliberale Sammlungsbewegung hätte einen eher passiven, abwehrenden Charakter. Mit ihr kann man gegen, aber nicht für etwas antreten. Diese Haltung lässt sich derzeit beim Agieren der Linksfraktion im Bundestag bereits zum Teil beobachten. Sie präsentiert zu wenig alternative Konzepte, welche die Grünen zwingen, sich mit uns auseinanderzusetzen, oder die die SPD ins Schwitzen bringen. Genau das müssten wir aber tun, wenn wir gesellschaftliche und parlamentarische Mehrheiten gewinnen wollen, um die derzeitige große Koalition auseinan diesederzutreiben und einen Politikwechsel einzuleiten. Im Moment sind wir eine Maximal-zehn-Prozent-Partei und im Bund allein.

Gegen Neoliberalismus zu sein ist doch mehrheitsfähig. Da gehen sogar CDUler mit.

Neoliberalismus ist, wie er gebraucht wird, ein schwammiger Begriff, mit dem man alles diffamieren kann, was einem nicht in den Kram passt. Darüber ist die Linkspartei mit 16 Jahren Erfahrung inzwischen hinaus, wir haben in dieser Zeit Konzepte erarbeitet, die wir nicht einfach so opfern sollten.

Das haben Sie doch schon. Vom „demokratischen Sozialismus“ ist im Eckpunktepapier nur noch verschämt die Rede, und die Freiheitsgüter kommen gar nicht mehr vor.

Doch, wir haben in dieser Woche noch einen Satz dazu in das Papier geschrieben. Richtig aber ist, dass wir nur einen Kompromiss ausgehandelt haben. Das war auch notwendig, weil die Parteibildung ein sehr komplexer Prozess ist. Die unterschiedlichen Fronten verlaufen ja nicht nur zwischen WASG und Linkspartei, sondern quer durch die Parteien. Wenn wir keine Kompromisse eingehen, fliegt uns alles um die Ohren.

Und damit das nicht passiert, wird Lafontaine, der Chef der antineoliberalen Sammlungsbewegung, nicht kritisiert?

Es gibt eine Auseinandersetzung, die mit klaren Worten geführt wird. Aber Oskar Lafontaine hat als Fraktionsvorsitzender klar eine andere Medienpräsenz als seine Kritiker. Es ist ohnehin nicht gut, dass derartige Konflikte rein medial ausgetragen werden. Eigentlich hätten wir schon seit letztem Jahr öffentliche Foren gebraucht, auf denen die verschiedenen Strömungen und Positionen der Parteien zu Wort kommen und wir die inhaltlichen Grundlagen der neuen Partei klären. Bisher wurden die Fusionsgespräche eher geführt wie Tarifverhandlungen: Jede Seite fordert möglichst viel, um dann mit der Hälfte aus den Verhandlungen zu kommen.

Warum?

Weil wir unter unheimlichem Zeitdruck stehen, seitdem die Vereinigungspläne öffentlich sind. Jetzt sind wir gezwungen, erst das Organisatorische zu regeln und danach die Diskussion zu führen. Bisher steht die Vereinigung inhaltlich auf eher dünnen Füßen.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ