CIA-Aktion hat Folgen

Mailänder Staatsanwälte wollen 26 US-Agenten vor Gericht bringen, die einen Imam nach Ägypten entführten

ROM taz ■ Italiens militärischer Geheimdienst Sismi war an der Entführung eines ägyptischen Imams durch die CIA in Mailand beteiligt. Davon ist die Mailänder Staatsanwaltschaft überzeugt, die jetzt Anklage gegen 26 CIA-Agenten und zwölf Italiener wegen des CIA-Zugriffs vor gut drei Jahren erheben will.

Am 17. Februar 2003 hatte ein US-Kommando am helllichten Tag den Ägypter Abu Omar, der als Kopf einer militanten islamistischen Zelle galt, mitten in Mailand in einen Lieferwagen gezerrt. Abu Omar wurde zu einer amerikanischen Luftwaffenbasis gefahren und dann mit Zwischenstopp Ramstein nach Ägypten ausgeflogen. Dort wurde der Imam gefoltert, er sitzt immer noch in Haft.

Doch das CIA-Team hatte bei der Aktion reichlich Spuren hinterlassen; vor allem hatten die Agenten sorglos ihre Handys benutzt. So konnte die Mailänder Staatsanwaltschaft ein lückenloses Bewegungsprofil rund um den Entführungsort erstellen und die Hotels ausmachen, in denen die Agenten abgestiegen waren. 26 von ihnen sollen sich jetzt wegen Entführung verantworten. Haftbefehle und Auslieferungsersuchen liegen allerdings noch beim Justizminister in Rom, der entscheiden muss, ob er die US-Verbündeten damit belästigen will.

Entscheiden muss die italienische Regierung aber auch über den eigenen Geheimdienst. Noch im Sommer 2005 hatte die damalige Regierung Berlusconi behauptet, italienische Dienste seien bei der Entführung in Mailand nicht beteiligt gewesen – und natürlich habe die Regierung nichts gewusst.

Die Staatsanwälte sind anderer Meinung. Sie wollen jetzt gegen den immer noch amtierenden Sismi-Chef Nicolò Pollari sowie gegen den für operative Einsätze zuständigen Marco Mancini Anklage erheben; gegen Mancini war schon im Juli ein Haftbefehl ergangen. Er hätte ebenso wie weitere sieben Agenten nicht nur im Vorfeld von der Entführung gewusst, sondern die CIA aktiv unterstützt, mindestens ein italienischer Beamter sei bei dem Zugriff präsent gewesen. Zudem, so die Ermittler, hätte der Sismi dann Vertuschungsaktionen in die Wege geleitet. Deshalb ist der stellvertretende Chefredakteur der rechten Tageszeitung Libero, Renato Farina, wegen Begünstigung angeklagt. Farina stand unter dem Tarnnamen „betulla“ („Birke“) auf der Pay-Roll des Sismi. Er führte Schmutzkampagnen gegen jene Enthüllungsjournalisten der Zeitung La Repubblica, die sich mit der CIA-Aktion befassten.

Geheimdienstchef Pollari gilt als kaum mehr zu halten. Wenn sie ihn fallen lässt, muss die Regierung Prodis aber wohl auch dazu Stellung nehmen, wie stark das Vorgängerkabinett in die Entführung verwickelt war.

MICHAEL BRAUN