„Kollektives Paparazzi-tum“

Justizministerin Zypries greift auf dem Kongress der deutschen Zeitungsverleger sog. „Leserreporter“ an

Leserreporter haben es nicht leicht: Für ihre unscharfen Promi-Schnappschnüsse gibt es ein paar maue Euro, hier und da nachträglich Ärger – und auch den deutschen Zeitungsverlegern sind sie suspekt: „Mit einiger Sorge“ umtrieb es den Verlegerpräsidenten Helmut Heinen beim Branchenkongress in Warnemünde, hier sei eine Art „kollektives Paparazzi-tum“ im Werden. „User generated content“, also der von LeserInnen selbst verzapfte Inhalt, sei nun mal längst noch kein Journalismus, sagte Heinen, im Hauptberuf Verleger der DuMont gehörenden Kölnischen Rundschau.

Gemeint war vor allem die Bild-Zeitung, und in die gleiche Kerbe hieb auch Bundesjustitzministerin Brigitte Zypries (SPD): „Man fragt sich, wieweit hier Leser verleitet werden, die Persönlichkeitsrechte anderer zu verletzen.“ Wenn nicht mehr klar sei, wer sich denn nun mit Fug und Recht als Journalist bezeichne, müssten konsequenterweise auch irgendwann die mit diesem Beruf verbundenen Privilegien auf den Prüfstand.

Dass nicht eben wenige der anwesenden Verleger durch ihre Geschäftspolitik der jüngsten Zeit genau solchen Entwicklungen Vorschub leisten, blieb allerdings unerwähnt. Dabei gehört das „Auf die Leser setzen“ wie auch das Ausgliedern ganzer Redaktionen in neue Verlagsgesellschaften mit den gleichen Aufgaben wie früher bei empfindlich niedrigerer Entlohnung zur neuen Realität vieler Zeitungsverlage. Bild ist hier nur – wie üblich – der Branche etwas voraus und gewohnt dreister im Zugang.

Uneinig waren sich Verlegerverband und Justizministerin auch über die Notwendigkeit, Redaktionsgeheimnis und Informantenschutz durch neue Gesetze zu stärken. Abhöraktionen und Durchsuchungen wie bei dem Magazin Cicero, der Wolfsburger Zeitung oder den Stuttgarter Nachrichten hätten den „Charakter gezielter Einschüchterung von Journalisten“, sagte Heinen. Dabei sei es nie darum gegangen, Verbrechen von Journalisten auf die Spur zu kommen, sondern lediglich um undichte Stellen im Staatsapparat. Doch Zypries erteilte dem Ansinnen nach Gesetzen zur Sicherung der Pressefreiheit, wie sie von FDP und Grünen diskutiert werden, eine klare Absage: „So dramatisch“ sei die Lage dann doch nicht, meinte die Ministerin, sondern eher ein „typischer Politikerreflex, wenn irgendwo ein Problem vermutet wird“.

Probleme ganz eigener Art durften auch hinter Zypries’ Anwesenheit vermutet werden: Ursprünglich wollte Angela Merkel höchstpersönlich beim ersten Verlegerkongress in ihrem Heimatbundesland sprechen. Doch die Bundeskanzlerin hatte kurzfristig abgesagt, „die genauen Hintergründe“ kenne man nicht, gab sich Verlegerpräsident Heinen verschnupft. STG