Einfach einkaufen war gestern

Berlin ist die Hauptstadt der Biosupermärkte. Die Zahl der Ketten und Ladenlokale steigt ständig. Damit wird Biokonsum vielfältiger: Die Palette reicht vom Discounter über Kochkurse und Bistro-Besuche bis hin zur Buchung der Urlaubsreise

VON LARS KLAASSEN

Ein Backsteingewölbe, von gusseisernen Säulen im korinthischen Stil getragen: Zu Kaisers Zeiten waren hier die Pferde des 1. Preußischen Dragoner-Regiments untergebracht. Heute reihen sich in den denkmalgeschützten Räumen Supermarktregale und Verkaufsstände aneinander: mehr als 10.000 Produkte, darunter über 150 Sorten Käse und 200 Weine. Auf knapp 1.400 Quadratmetern erstreckt sich am Mehringdamm in Kreuzberg der LPG Biomarkt („Lecker, preiswert & gesund“: www.lpg-biokost.de) – der größte Biosupermarkt Europas. Wer hier einkaufen geht, kann entweder den normalen Ladenpreis zahlen oder als Mitglied den Rabatt für jedes Produkt in Anspruch nehmen. Der monatliche Beitrag kostet pro erwachsene Person 17,90 Euro (Ermäßigung für Geringverdiener, Paare und WGs). „Ab einem Umsatz von rund 80 Euro im Monat rechnet sich die Mitgliedschaft“, sagt Geschäftsführer Werner Schauerte. Auch das Bio-Bistro soll die Kunden mit Kartoffelsuppe, Pizza oder Tafelspitz enger binden als ein normaler Supermarkt. Man richtet sich aber nicht in der Ökonische ein: Als die LPG vor Jahren mit ihren 70 Parkplätzen warb, sorgte das auch für Kritik. Auf der anderen Seite wurden viele Neukunden gewonnen – und weitere vier Läden in Berlin gegründet.

Architektonisch kann sich auch Biolüske sehen lassen (www.biolueske.de). Der Supermarkt ist in einem Kino-Bau aus den 50er-Jahren in Lichterfelde beheimatet. In diesen Sommer feierte Biolüske zweijähriges Bestehen. So richtig gefeiert wurde aber schon im vergangenen Jahr: 2005 erhielt Biolüske auf der weltgrößten Lebensmittelmesse Anuga in Köln als bester Biosupermarkt Deutschlands die Auszeichnung „Bio-Markt des Jahres“. Gastronomischen Service erwartet die Kunden dort allerdings nicht. Wer mehr möchte, als im modern gestalteten ehemaligen Kinosaal einzukaufen, muss selber Hand anlegen: Auf der Empore wird regelmäßig zum Kochkurs geladen. In gediegener Atmosphäre wird dann kulinarisch kreiert und getafelt.

Für den gastronomischen Restaurantservice übers Catering bis zum Kochkurs hat der VIV BioFrischeMarkt (www.viv-biofrischemarkt.de) neben seinen sechs Berliner Filialen gleich eine eigene Lounge eingerichtet. An der Schönhauser Allee zwischen Rosa-Luxemburg- und Senefelder Platz können Snacks, Säfte und Salate mitgenommen werden. Wer Platz nehmen möchte, kann hier frühstücken oder den täglich wechselnden Mittagstisch zu sich nehmen. Torten und Kuchen können auch auf den Sofas verzehrt werden. Abends verwandelt sich die Lounge in ein Kochstudio. Die Räume können auch für Veranstaltungen gemietet werden.

Die Kette eo, (www.eokomma.de, „eo“ steht für „eat organic“) hat nicht nur sechs Filialen in Berlin und wartet wie die Konkurrenz mit Kochstudio sowie Bistro auf. Die Kunden können sich hier auch einen Termin zur Kosmetikberatung geben lassen. Darüber hinaus gibt es für alle Kundenkarten-Inhaber so genannte „BIO-Urlaubsangebote“. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn und den „BIO“-Hotels bietet eo für den Urlaub seiner Kunden „Bahn & BIO-Bett im Einklang mit der Natur“.

Die größte Biosupermarktkette Berlins zeigt sich davon wenig beeindruckt und konzentriert sich nach wie vor aufs Kerngeschäft. Hier kochen die Kunden noch zu Hause. Die Bio Company (www.biocompany.de) hat bislang acht Filialen in Berlin. Im Herbst kommt Nummer neun in Pankow noch dazu. Während die Filialen in Berlin breit gestreut sind, legt das Unternehmen bei Einkauf Wert auf Nähe: Bio Company unterstützt kleine handwerkliche und bäuerliche Betriebe vorrangig in Brandenburg.

Auf eine ganz bestimmte Brandenburger Region konzentriert sich der Joachimsthaler Biosupermarkt in der Grolmannstraße 48, direkt am S-Bahnhof Savignyplatz: Benannt ist er nach dem gleichnamigen Städtchen, das in der Region des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin liegt. Produzenten aus der Region, die naturverträglich arbeiten, können ihre Erzeugnisse in Charlottenburg direkt vermarkten. „Wir wollen so viele regionale Produkte wie möglich nach Berlin bringen“, sagt Renate Witthuhn vom Joachimsthaler Biosupermarkt.

Einfach nur „bio“ – ohne regionalen Fokus, kulinarische Lockangebote oder gar Reisepakete – gibt sich Erdkorn (www.erdkorn.de). Die in Hamburg gegründete Kette ist mittlerweile auch zweimal in Berlin vertreten. Was die knalligen Unternehmensfarben Schwarz und Gelb nicht vermuten lassen: Alle Filialen sind nach Feng-Shui-Prinzipien aufgebaut. Das Design verkündet vor allem: Wir sind Discounter! „Wir wollen 20 Prozent günstiger sein als andere Bioanbieter“, sagt Geschäftsführer Thomas Hinz. Harte Preiskalkulation kennt er schon aus seiner Tätigkeit im Aldi-Management.