Chávez riecht Schwefel

Venezuelas Präsident bezeichnet George W. Bush vor den UN als „Teufel“ und wirbt für einen Sitz im Sicherheitsrat

BERLIN taz ■ Solch ausgefallene Rhetorik hat die UN-Vollversammlung schon lange nicht mehr erlebt: Der Auftritt von Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez in New York geriet am Mittwochabend zu einer Mischung aus Kabarett, Tribunal und Polemik. Mit einer Breitseite gegen die US-Regierung versuchte Chávez, den Anspruch Venezuelas auf einen nichtständigen Sitz im Weltsicherheitsrat als Bannerträger gegen das Imperium zu unterstreichen.

„Gestern war der Teufel hier. Genau hier. Und es riecht an diesem Pult noch immer nach Schwefel“, sagte Chávez zu Beginn seiner Rede und der leisen Gegiggel der Delegierten, bekreuzigte sich und blickte flehend gen Himmel. US-Präsident George W. Bush, auf den sich Chávez natürlich bezog, hatte am Vortag vor der Vollversammlung seine Vision einer Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens wiederholt und sich in seiner Ansprache direkt an die Bevölkerungen verschiedener arabischer Länder und des Iran gewandt. Chávez’ Antwort: „Er sprach zur Bevölkerung des Libanons. Viele von Ihnen, sagte er, hätten erlebt, wie ihre Häuser und Dörfer ins Kreuzfeuer gerieten. Wie zynisch kann man eigentlich sein? Was für eine Fähigkeit, unverschämt zu lügen! Die Präzisionsbomben in Beirut, das ist Kreuzfeuer? Das ist imperialistisch, faschistisch, Mord und Völkermord; das Empire und Israel feuern auf die Menschen in Palästina und Libanon. Und jetzt hören wir: ‚Wir sind betroffen, weil Häuser zerstört wurden‘!“ Und weiter: „Der Präsident hat die Völker angesprochen. Können Sie sich vorstellen, was die Völker ihm sagen würden, wenn sie könnten? Sie würden sagen: ‚Yankee imperialist, go home!‘ “

Im zweiten Teil seiner Ansprache kritisierte Chávez erneut die Machtlosigkeit der Vollversammlung gegenüber dem Weltsicherheitsrat, wie es am Vortag bereits der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad getan hatte. Das UN-System sei „wertlos“, sagte Chávez. „Oh ja, es ist gut, dass wir einmal im Jahr zusammenkommen, uns treffen, Statements abgeben, alle möglichen langen Papiere vorbereiten und gute Reden hören. Aber wir, die Vollversammlung, sind zu einem reinen Beratungsgremium geworden. Wir haben keine Macht“, klagte Chávez und forderte die Erweiterung des Sicherheitsrats und die Abschaffung des Vetorechts. Wenn Venezuela in den Sicherheitsrat gewählt würde, versprach Chávez, werde es „die Stimme aller Völker der Welt sein“. BERND PICKERT