„Das ist dann alter Wein in neuen Schläuchen“

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, ist nicht überzeugt von der Idee eines neuen Verbotsverfahrens gegen die NPD

taz: Herr Kramer, die Debatte über ein NPD-Verbotsverfahren ist wieder entbrannt: So ein Verfahren scheiterte schon einmal. Ist der Zentralrat dennoch dafür, es erneut zu versuchen?

Stephan Kramer: Es gibt im Zentralrat Stimmen, die für ein Verbotsverfahren plädieren, und solche, die dagegen sind. Mehrheitlich sind wir für ein kombiniertes Vorgehen: Sollte sich herausstellen, dass genug Beweise vorliegen, um ein Verfahren erfolgreich abzuschließen, dann sollte man es auch einleiten.

Und wenn nicht?

Solange wir Gefahr laufen, möglicherweise ein zweites Mal zu scheitern, was noch verheerendere politische Auswirkungen hätte als beim ersten Mal, dann sollte man es lassen. Aber grundsätzlich halte ich persönlich von solchen Verboten nichts, weil es die Akteure nicht nur in den Untergrund triebe – sondern möglicherweise auch einfach in neue Strukturen. Das ist dann alter Wein in neuen Schläuchen. Dabei werden wir das Gedankengut, für das die NPD Resonanzboden und Initiator ist, nicht aus der Welt schaffen.

Aber man kann mit einem Verbot eher verhindern, dass man indirekt auch die NPD durch staatliche Gelder unterstützt, weil sie nicht in Strukturen kommt, wo sie dies Geld erhält.

Es wird ihr auch nicht wesentlich besser gehen, weil sie jetzt mehr Geld zur Verfügung hat durch staatliche Mittel – dass das nicht schön ist, ist klar. Aber die NPD über ein Verbot auch von Parteifinanzierungsquellen abzuschneiden ist ein völlig untaugliches Mittel. Denn es gibt genügend potente Spender auch aus der Wirtschaft, die die NPD und das ultrarechte Gedankengut ohnehin finanzieren. Wichtiger ist, dass sich die Gesellschaft insgesamt gegen solche Parteien politisch engagiert. Wenn es die Initiativen gegen rechts in Mecklenburg-Vorpommern nicht gegeben hätte, wären die Wahlergebnisse der NPD voraussichtlich noch höher gewesen.

Manche Befürworter eines NPD-Verbots im Zentralrat sind Holocaust-Überlebende, die sagen: Wir ertragen es nicht, dass die NPD auftritt, ohne dass dies verboten werden kann.

Das kann ich verstehen und respektieren. Man muss sehen, aus welcher Situation heraus diese Menschen diese Meinung vertreten. Bloß wir können uns das Rechtssystem nicht so biegen, wie wir es gerade brauchen. Demokratie hat mit Grundprinzipien zu tun, die nicht immer einfach und angenehm sind. Wir würden uns als Demokraten disqualifizieren, wenn wir diese Spielregeln permanent danach änderten, wie sie uns im Alltagsgeschäft gefallen. Wir müssen mit den Mitteln der Demokratie – und ich denke, sie hat genug Mittel – vorgehen. INTERVIEW: PHILIPP GESSLER