Theaterasyl für Scholz

VISIONEN I Bei einer kosmopolitischen Rede wird Bürgermeister Scholz von der Realität eingeholt

Die Grundsatzrede von SPD-Bürgermeister Olaf Scholz am Mittwochabend im Thalia Theater war als kosmopolitische Vision zur Asyl- und Flüchtlingspolitik angekündigt. Doch auf die Ausführungen zum Thema „Hamburg, Europa und die Grenzen“ musste das Publikum lange warten. Denn draußen war Scholz mit der Realität konfrontiert: 300 Menschen protestieren für ein humanitäres Bleiberecht für die Lampedusa-Gruppe.

Da der Haupteingang belagert war, brauchte es drei Versuche, um den Bürgermeister durch einen Hintereingang in den Theatersaal zu lotsen. Erst mit 40-minütiger Verspätung konnte Thalia-Intendant Joachim Lux ihn begrüßen. „Wir haben das Demonstrationsrecht verteidigt, aber auch die Meinungsfreiheit durchgesetzt“, sagte er.

In der Tat enthielt die Scholz-Rede Visionen einer neuen EU-Flüchtlingspolitik: Dass es für eine rumänische Ärztin möglich sein müsse, in Hamburg ihren Beruf auszuüben oder Visa-Beschränkungen lascher gehandhabt werden müssten. Trotzdem wurde er immer wieder von Kritikern unterbrochen. „Olaf du Loser – Hamburg Lampedusa“, riefen sie. Im anschließenden Dialog würdigte der Publizist Ilija Trojanow Scholz’ „gebildete“ Ausführungen, bemängelte aber ein Ausblenden der Realitäten. So habe er die EU-Grenzschutzagentur Frontex nicht erwähnt, die die Außengrenzen wie eine Festung mit einer „Push back“-Strategie verteidige.

Im intellektuellen Dissens kehrte Scholz schnell zur Realpolitik zurück. Europa brauche geschützte Außengrenzen und es sei nicht realisierbar, dass sich Asylsuchende ihr Wunschland aussuchen könnten. „Was spricht dagegen, dass ein syrischer Flüchtling in Griechenland zu seiner Familie nach Leipzig zieht“, erwiderte Trojanow. Und warum werde ein Flüchtling in Griechenland an der EU-Außengrenze gestoppt, wenn er über den Libanon nach Hamburg reisen könne? Das sei „Absurdität und Willkür“ meinte Trojanow. Scholz war da bis zum Schluss „anderer Meinung“.  KVA