„Da herrschen unfaire Bedingungen“

TAZ-SERIE TEMPELHOFER FELD Felix Herzog, einer der Macher des Volksbegehrens, über fehlende finanzielle Mittel im Wahlkampf, Brachen, die alternativ zum Feld bebaut werden könnten, und die Notwendigkeit von Populismus

■ 28, nach drei Jahren SPD-Mitgliedschaft bis 2012 derzeit parteilos, lebt in Neukölln. Seit Anfang 2013 war er Vorsitzender beim Trägerverein des Volksbegehrens „100 % Tempelhofer Feld“. Ende Februar wurde er bei der Mitgliederversammlung nicht wiedergewählt, bestreitet aber deren Rechtmäßigkeit und firmiert weiter als Vorstandsmitglied. (sta)

INTERVIEW STEFAN ALBERTI

taz: Herr Herzog, SPD und CDU versuchen, aus dem Volksentscheid über das Tempelhofer Feld eine grundsätzliche Entscheidung über die Zukunftsfähigkeit Berlins zu machen. Wie wollen Sie das kontern?

Felix Herzog: Wir haben uns sofort angeschaut, was die beim Volksentscheid als Alternative vorlegen wollen – und waren einhellig der Meinung, dass dieser Gesetzentwurf total lächerlich und schwammig ist. Für uns ist es schon ein gewisser Erfolg, dass die Große Koalition nun jegliche Bebauung in der Feldmitte ausschließt …

aber so etwas war in den Plänen von Stadtentwicklungssenator Müller nicht vorgesehen.

Stimmt, in dem Masterplan war das nicht drin, und doch war es eine reale Sorge vieler Leute.

Noch mal zurück zur Strategie. Indem Rot-Schwarz für sich „Zukunftsfähigkeit“ reklamiert, könnte Sie das in den Augen vieler automatisch zu beharrenden Verweigerern machen – Sie sind halt die andere Seite.

Ja, die sind wir, aber wir sehen unser Gesetz auch als sehr zukunftsweisend. Wir bestreiten ja gar nicht, dass die Stadt wächst und weiterwachsen wird. Aber gerade in einer wachsenden Großstadt sehen wir die Notwendigkeit, das Tempelhofer Feld als Freiraum zu erhalten – das Feld ist doch wie ein Geschenk für Berlin.

Das sagt Senator Müller auch so.

Der Senat macht es sich aber zu einfach mit seinem Vorgehen: landeseigene Fläche, da ist noch nichts drauf, also beplanen wir die mal schnell.

In den nächsten Monaten geht es ja nicht mehr darum, 184.000 gültige Unterschriften zusammenzubekommen, sondern eine Mehrheit von zweieinhalb Millionen Wahlberechtigten stadtweit zu überzeugen. Wie soll das gehen?

Wir haben da keinen Masterplan.

den hat eher Senator Michael Müller.

Stimmt, ich sage mal lieber: keine Masterstrategie. Dafür sind wir viel zu heterogen. Es gibt für uns drei grundlegende Funktionen des Felds: ökologisch, sozial – also Grillen oder Sport – und als Erinnerungsort. Mein persönlicher Ansatz ist, dass wir uns die Stadteile anschauen und gucken: Was reizt die Leute dort am Feld? In Zehlendorf ist das vielleicht die historische Sache, die Rosinenbomber-Dimension …

davon berichtet auch der CDU-Fraktionschef Florian Graf aus seiner eigenen Partei.

Von der CDU hören wir sowieso, dass es dort viele Leute gibt, die eine Bebauung ablehnen.

Zumindest klassischerweise braucht man für Werbung auch immer Leute, die das vor Ort vermitteln, die Plakate kleben. Auf wie viele Helfer können Sie sich stützen?

In der Initiative sind es bis zu 150, die konkret mitarbeiten, 100 davon sind Mitglied im Verein. Ich erwarte auch nicht, dass wir alle Leute erreichen. Wer in Reinickendorf seinen eigenen Garten hat und dort im Grünen zufrieden ist, der hat natürlich nicht das Bedürfnis, zum Tempelhofer Feld zu gehen. Aber ich glaube schon, dass die Mehrheit eher ein Defizit an Grünflächen hat.

Trotzdem brauchen Sie Geld für Plakate oder Flugblätter. Wie sieht die Finanzierung aus?

Was das Finanzielle angeht, haben wir ganz schlechte Chancen. Wir hatten bislang einen Umsatz von 20.000 Euro, der Energietisch hatte meines Wissens in der letzten Phase 160.000 Euro zur Verfügung. Was allein schon vom Senat investiert worden ist zur Vorstellung des Masterplans …

das ist aber doch ureigene Aufgabe der Senatsverwaltung, das können Sie ihr doch nicht vorwerfen.

Ja, aber das sind auch unsere Steuergelder. Eigentlich müssten wir spätestens jetzt, in der Stufe vor dem Volksentscheid, Geld aus einem Steuerpool bekommen.

„Der Gesetzentwurf von SPD und CDU ist lächerlich und schwammig“

Sehen Sie das als demokratietechnisches Defizit?

Auf jeden Fall. Das sind einfach unfaire Bedingungen. Wir hatten ja noch nicht mal Geld, einen Anwalt zu bezahlen, um die Rechtmäßigkeit des Volksbegehrens prüfen zu lassen – das musste alles ehrenamtlich gehen.

Beim vergangenen Volksentscheid konnte der Energietisch auf die Oppositionsfraktionen zählen. Nun sieht es so aus, als könnten Grüne, Linke und Piraten auf der anderen Seite stehen.

Das finde ich überhaupt nicht schlimm. Von Parteien dürfen wir sowieso keine Spenden annehmen, das ist verboten.

Aber die Infrastruktur, die vielen Mitglieder, die für Ihre Positionen werben könnten …

Das ist ja auch nicht einheitlich bei denen. In Neukölln haben Linke, Grüne und Piraten für uns Unterschriften gesammelt. Das ist kleinteiliger, das passiert auf Bezirksebene. Unsere Erfahrung ist: Sobald uns eine Partei unterstützt, verlieren wir Unterstützer aus einem anderen Lager, die sagen: Mit den anderen wollen wir nichts zu tun haben.

Der Senat wirft der Initiative vor, selbst Sportplätze oder Sitzbänke verbieten zu wollen – was Sie ja in Ihrem Gesetzesentwurf als Ausnahme ausdrücklich zulassen. Was tun Sie dagegen?

Wenn ich zur „Abendschau“ eingeladen werde, dann gehe ich natürlich gegen solche Vorwürfe an, und wir reden ja jetzt auch darüber. Aber gegenwärtig ist mir die Auseinandersetzung ein bisschen zu blöd und auf einem Niveau, das der Sache nicht gerecht wird. Ich gehe davon aus, dass viele Leute wieder vergessen werden, was sie jetzt vom Senat hören, und wir dann ab April mit unseren Argumenten überzeugen können. Wir haben noch ganz viel in der Schublade.

Was denn?

Das will ich jetzt noch nicht sagen. Ich möchte auch nicht populistische Propaganda für unsere Sache machen, sondern hoffe darauf, dass sich die Leute informieren.

So wie bei Wahlen die wenigsten Leute Parteiprogramme lesen, so wenig tun sie das bei Volksentscheiden mit Gesetzesentwürfen. Um ein bisschen Populismus, um etwas Vereinfachung werden Sie nicht herumkommen.

Bei einer Ja/Nein-Frage wie beim Volksentscheid landet man ganz automatisch im Populismus. Vielleicht kommen wir mal zu Beteiligungsformen, bei denen man kleinteiliger abstimmen kann. Etwa: Ich möchte, dass bebaut wird, aber nur Sozialwohnungen, sonst bin ich dagegen.

Womit Sie sich ja beschäftigen müssen, ist die Frage, warum Sie diese Sozialwohnungen nicht zumindest auf einem kleinen Teil einer Fläche ermöglichen wollen, auf die das Land Zugriff hat. Die SPD kann immer sagen: Das ist doch schon ein Kompromiss.

Von welchem Kompromiss spricht man denn da? Es gab nie eine Initiative, das Tempelhofer Feld komplett zuzubauen.

■ Am 25. Mai stimmen die BerlinerInnen darüber ab, ob das Tempelhofer Feld bebaut werden soll. Der Senat will an drei Rändern des ehemaligen Flugfelds rund 4.700 Wohnungen, außerdem Gewerbegebäude errichten. Die Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ will die Bebauung des rund 380 Hektar großen Areals dagegen komplett verhindern.

■ Dafür müssten beim Volksentscheid die Mehrheit der TeilnehmerInnen und zugleich mindestens ein Viertel aller Berliner Wahlberechtigten für den Gesetzentwurf der Volksinitiative stimmen. Am 25. Mai sind außerdem Europawahlen. (taz)

Es bleibt die Frage: Wo sollen all die bezahlbaren Wohnungen entstehen, die Sie am Feld nicht wollen?

Es gibt Industriebrachen, die man bebauen kann, es gibt Dachgeschossausbau, man kann Baulücken dort schließen, wo es nicht kritisch ist – in vielen ist ja vielleicht auch ein Spielplatz, den würde ich jetzt auch nicht weghaben wollen.

Das ist ja genau die alte Leier: Bauen ja, aber gerade aus diesem besonderen Grund nicht genau hier. So klappt das doch nicht.

Ich habe da ein Grundstück vor Augen, mehrere Hektar groß, da ist nur Sand, da könnte sofort etwas hingebaut werden. Aber dort gibt es halt irgendwelche Investoren, die da draufsitzen und nichts machen, oder Flächen mit ungeklärter Eigentümerschaft.

Das ist ja gerade der Vorteil des Tempelhofer Felds: dass es dem Land gehört. Wenn man leicht an die Flächen rankäme, von denen Sie erzählen, dann würde sich Senator Müller doch liebend gern den ganzen Streit um das Feld sparen.

Ich glaube trotzdem, dass es sich der Senat hier zu einfach macht. Es steht doch auch politische Strategie dahinter, schnell zu bauen, um am Ende der Wahlperiode sagen zu können: Guckt, hier haben wir 5.000 Wohnungen gebaut!

Sie haben nach der Steueraffäre um Exkulturstaatssekretär Schmitz ein zweites Volksbegehren für vorgezogene Neuwahlen angestoßen – nehmen Sie sich da nicht die Chance, den Feld-Volksentscheid als Sammelbecken für alle zu nutzen, die mit dem Senat unzufrieden sind?

Bislang kriegen wir das ganz gut hin – ich habe auf einen Schlag dreimal so viele Pressekontakte wie vorher. Ich glaube, dass sich das sehr gut ergänzt.