Opposition kündigt weiteren Protestmonat an

Die Nachzählungsergebnisse in Mexiko lassen noch auf sich warten – die selbsterklärten Wahlsieger allerdings nicht

MEXIKO-STADT taz ■ In Mexiko sind am Montag erstmals Sicherheitskräfte mit Tränengas und Schlagstöcken gegen Anhänger des offiziell unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador vorgegangen. Unter den Demonstranten befanden sich auch einige Abgeordnete der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), für die der gemäßigt linke Politiker angetreten ist. Die Aktivisten hatten versucht, ein Camp vor dem Bundesparlament in Mexiko-Stadt zu installieren, um gegen Wahlbetrug zu protestieren. Als die Bundespolizisten anrückten, verteidigten sie sich mit Steinen. Andere PRD-Mitglieder blockierten erneut Eingänge von Banken und Wahlbehörden.

López Obrador hatte am Wochenende zu weiteren Aktionen des „friedlichen zivilen Widerstands“ aufgerufen. Man werde mindestens bis Mitte September durchhalten, um eine komplette Neuauszählung der bei den Wahlen am 2. Juli abgegebenen Stimmen durchzusetzen. „Wir werden die Amtseinsetzung eines falschen, illegalen und illegitimen Präsidenten verhindern“, erklärte er mit Blick auf seinen Konkurrenten Felipe Calderón von der konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN). Calderón hat nach bisherigen Auszählungen mit einem Vorsprung von 0,58 Prozent gewonnen.

Die Aktivisten hatten am Montag einen Teil ihres vor zwei Wochen installierten Protestcamps im Zentrum der Hauptstadt abgebaut, um sich vor dem Parlament niederzulassen. Dass die Sicherheitskräfte dort schnell reagierten, ist nicht verwunderlich: Am 1. September wird Präsident Vicente Fox (PAN) dort seinen letzten jährlichen Rechenschaftsbericht vorstellen. López Obrador hat dazu aufgerufen, an diesem Tag das Parlament zu belagern. Zudem will der PRD-Politiker am 15. September im Rahmen einer Massenmobilisierung auf dem zentralen Platz der Hauptstadt den traditionellen Ruf der Unabhängigkeit vollziehen. Ein Affront – denn dieses bedeutsame nationalistische Ritual am Unabhängigkeitstag ist dem amtierenden Präsidenten vorbehalten.

Am Sonntagabend endete die vom Bundeswahlgericht verordnete Auszählung von etwa neun Prozent der Urnen. Während sich die Behörde nicht zum Ergebnis äußerte, sahen sich PAN und PRD in ihrer Einschätzung bestätigt. Bei gerade einmal zwei Prozent der 11.839 Behälter sei es zu Fehlern gekommen, das sei unbedeutend und wirke sich auf beide Parteien gleich aus, erklärte PAN-Sprecher César Nava. Der PRD-Vertreter Horacio Duarte sprach dagegen von über 14.000 Stimmen, die Calderón allein durch die Teilzählung verloren habe. Hochgerechnet habe López Obrador gewonnen. Nur eine komplette Neuzählung könne Aufklärung bringen.

Nach Umfragen der Zeitung Universal sind auch 63 Prozent der Hauptstadtbevölkerung dieser Meinung. Etwa ebenso viele sind jedoch dagegen, dass die PRD-Aktivisten weiter die Stadt blockieren. Das Wahlgericht wird nun weitere Klagen untersuchen. Bis zum 6. September müssen die Richter den neuen Staatschef ernennen. Viele Beobachter schließen nicht aus, dass ein Interimspräsident eingesetzt wird, um eine Eskalation zu vermeiden. WOLF-DIETER VOGEL