Unglaublich viele Grüne an der Saar

Der saarländische Grünen-Chef Hubert Ulrich gerät weiter unter Druck. Die Europaabgeordnete Hiltrud Breyer wirft ihm „mangelnde Transparenz“ und „fehlenden Aufklärungswillen“ vor. Der Politiker soll Mitgliederzahlen manipuliert haben

AUS SAARBRÜCKEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Der Streit über manipulierte Mitgliederzahlen und Vorstandswahlen im saarländischen Grünen-Landesverband geht in eine neue Runde. In einem Schreiben an den Landesvorstand der Partei, das der taz vorliegt, beklagt die saarländische Grünen-Europaabgeordnete Hiltrud Breyer „fehlenden Aufklärungswillen“ und „mangelnde Transparenz“. Außerdem hat der Vorsitzende des Kreisverbandes Saarbrücken-Land, Josef Dörr, die Vorstandswahlen auf dem letzten Landesparteitag Anfang Juli angefochten und das Landesschiedsgericht der Grünen angerufen. Der Bericht des alten Landesvorstands sei dort nicht zur Diskussion gestellt und kein Finanzbericht vorgelegt worden. Der Landesvorsitzende Hubert Ulrich war auf diesem Parteitag im Amt bestätigt worden. Ulrich leitet auch die dreiköpfige Grünen-Fraktion im Saarbrücker Landtag.

Kern des Streits sind die Mitgliederzahlen in den Ortsverbänden, denen Ulrich und seine innerparteilichen Anhänger einen wichtigen Teil ihrer Delegiertenstimmen auf den Landesparteitagen verdanken. Die Anzahl der Mitglieder ist maßgeblich für die Anzahl der Delegierten, die ein Ortsverband auf dem Landesparteitag stellt.

In Ulrichs Heimatstadt Saarlouis mit ihren 38.000 Einwohnern verfügt die Partei angeblich über 600 bis 800 Mitglieder, das wären deutlich mehr als etwa in der Großstadt und Grünen-Hochburg Frankfurt am Main. Der Ortsverband Homburg meldete zuletzt 220 Mitglieder an die Landesgeschäftsstelle.

Seit Jahren schon blockierten „Ulrich und seine Leute“ jeden Versuch, den Mitgliederstand in den Ortsvereinen Homburg und Saarlouis zu überprüfen, beklagt nun die Europaabgeordnete Breyer. Der Versuch eines früheren Landesvorstands, alle mutmaßlichen Mitglieder anzuschreiben, sei von Ulrich als „parteischädigend“ desavouiert und für beendet erklärt worden. „Von zehn bereits angeschriebenen Mitgliedern im Saarland hatten damals acht erklärt, längst nicht mehr Mitglied bei den Grünen oder in ein anderes Bundesland verzogen zu sein“, so Breyer.

Der taz liegt in Kopie die Antwortpostkarte eines angeblichen Grünen vor, der darauf mitteilte, nie Mitglied bei den Grünen gewesen zu sein und „niemals einen Aufnahmeantrag unterschrieben“ zu haben.

In einem Antwortschreiben an Breyer wies der politische Geschäftsführer der Saar-Grünen, Markus Tressel, den Vorwurf mangelnden Aufklärungswillens zurück, ohne sich zur Sache selbst zu äußern. Der Landesparteirat werde sich auf einer Sitzung am 21. September mit der Angelegenheit befassen, kündigte Tressel an, der zugleich Geschäftsführer der Landtagsfraktion ist. „Vor dem Hintergrund der Sommerpause“ bitte er um „Geduld bis nach den Ferien“. Für eine telefonische Stellungnahme war Tressel gestern nicht zu erreichen. Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, wollte sich zu den Vorgängen im Saarland nicht äußern, solange die Prüfung auf Landesebene noch nicht abgeschlossen sei.

Dass Landesgeschäftsführer Tressel nun auch juristisch gegen die Berichterstattung zu den Vorgängen vorgeht, wertete Breyer als Versuch, „die Presse zum Schweigen“ zu bringen. „Uns wundert, wer einerseits den Auftrag für diese nicht akzeptablen Aktivitäten gegen die Pressefreiheit gegeben hat und wer andererseits die Bemühungen zur parteiinternen Aufklärung verhindert“, heißt es in dem Brief, den Breyer gemeinsam mit dem Vorsitzenden der grünen Stadtratsfraktion in Blieskastel, Martin Dauber, verfasst hat.

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