gaarder, bibel etc.
: Philosophie der dunklen Worte

War es tatsächlich ein bewusster Akt populistischer Parteiergreifung auf niedrigstem Niveau? Der Philosoph und Autor Jostein Gaarder selbst nimmt für sich in Anspruch, einen „Weckruf für Israel“ verfasst zu haben. Geweckt hat er auf jeden Fall etwas – vor allem eine Menge Kritik.

Gaarder ist seiner Leserschaft vor allem durch einfühlsame und intelligent-verspielte Heranführungen an philosophische Themen vertraut. Sein Roman „Sophies Welt“ wurde hier mehr als drei Millionen Mal verkauft; auch „Das Kartengeheimnis“ und „Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort“ hat viele jüngere und ältere Leser wegen der behandelten existenziellen Fragen und des erkenntnistheoretischen Spiels fasziniert.

Bei realen, politischen Themen war Gaarder jedoch bisher äußerst zurückhaltend – bisher. Vergangenes Wochenende aber hatte er in der norwegischen Zeitung Aftenposten einen haarsträubenden Frontalangriff auf Israel gestartet: Warum ignoriert der Christ Gaarder völlig, dass Israel auch Opfer ist? Gaarder bindet seine Anschauungen an Bibelzitate und Rabbinersprüche zurück. Doch was haben die mit der Realität eines politischen Konflikts um die Anerkennung von staatlichen Grenzen zu tun?

Es wäre verkürzt, Gaarders christlichen Hintergrund allein als Erklärung heranzuziehen. Vielmehr zeigt sich bereits in seinen Büchern, dass er in seiner bürgerlich-philosophischen Herangehensweise alles Konfliktpotenzial in einem Wettkampf von Ideen abfedert. In Kunst, Philosophie oder Literatur mag ein solches Gedankenspiel adäquat erscheinen. Nur fragt sich, ob ein solches intellektuelles Gedankenspiel nicht an der gesellschaftlichen Realität vorbeizielt – selbst wenn man sich gegebenenfalls auf Bibelzitate beruft.

Spätestens seit Marx’ Kritik der bürgerlichen Wissenschaft ist klar, dass die Sache so einfach nicht ist – will man nicht nur Herrschaftsideologie reproduzieren. Der Philosoph Gaarder müsste wissen, dass seine Gedanken zu Recht anders bewertet werden, wenn er sie in einem realen politischen Kontext außerhalb seines Elfenbeinturms äußert. Das war bei Peter Handke nicht anders.

Gaarders folgerichtige Reaktion auf die Kritik an seinen Sätzen ist Schweigen. Sich über den Unterschied zwischen philosophischer Spielerei und harter Politik klar zu werden, wäre aber wichtiger. MICHAEL ZIMMERMANN