Jenseits der „Willkommenskultur“

AUFENTHALTSRECHT Die Familie Hakopjan soll nach 13 Jahren nach Armenien abgeschoben werden. UnterstützerInnen kritisieren die harte Linie des Kreises Bad Segeberg und rufen heute zur Demo auf

Ein Bleiberecht in Deutschland hatten sie nie, aber ein Leben: Artak und Karine Hakopjan flohen 2001 aus Armenien, ihre drei Söhne Erik (12), Karen (11) und Roman (6) wurden in Deutschland geboren. Seit Jahren drohte ihnen die Abschiebung, ihre Aufenthaltsgenehmigungen wurden Monat für Monat verlängert – bis Ende Januar die Polizei nachts an ihre Wohnungstür hämmerte und die Familie mitnahm. Artak Hakopjan wurde in Fesseln aus dem Haus in Nahe im Kreis Segeberg geführt. Der Eil-Einspruch ihres Anwalts stoppte die Abschiebung auf dem Rollfeld des Hamburger Flughafens. Die Entscheidung liegt nun bei der Härtefallkommission des Landes Schleswig-Holstein.

„Man stelle sich nur vor, dass die Kinder nach Armenien gezwungen werden, wo sie weder Land und Leute noch deren Sprache kennen“, heißt es von der SPD in Tangstedt, wo die Hakopjan-Söhne zur Schule gehen. Aus humanitären Gründen sei ein dauerhaftes Bleiberecht geboten. Björn Radke von der Linken im Kreis Segeberg kritisiert den Widerspruch zwischen „Willkommensfeiern“ für einige wenige Flüchtlinge und der „hässlichen Abschiebpraxis“ – Karine Hakopjan soll im Pyjama abtransportiert worden sein.

Nach geltendem Gesetz ist der Fall klar: Die Eltern, die vor dem Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan flohen, wurden nicht als Verfolgte anerkannt und sollen teilweise falsche Angaben gemacht haben. Aber „die Familie ist ein Musterbeispiel dafür, wie Integration laufen sollte“, sagt Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Artak Hakopjan arbeitete zuletzt als Koch in einem Imbiss, als ihm 2009 die Arbeitserlaubnis entzogen wurde. Sein Chef würde ihn wieder einstellen, sagt Link. Die Söhne sprechen fließend Deutsch, die beiden älteren besuchen das Gymnasium.

Die Ausländerbehörde des Kreises Segeberg ist für eine harte Haltung in Ausländer- und Abschiebefragen bekannt und verweigert beispielsweise überdurchschnittlich oft Flüchtlingen die Erlaubnis, den Kreis zu verlassen. Das SPD-geführte Innenministerium steht auf dem Standpunkt, den untergeordneten Behörden keine Weisungen zu erteilen – das sei „nicht Stil des Hauses“, so ein Sprecher. Vor allem die Piraten im Landtag kritisieren Innenminister Andreas Breitner. Jenseits der offiziellen „Willkommenskultur“ ließen Äußerungen und Taten Breitners darauf schließen, dass er „in der Flüchtlingspolitik, aber auch in anderen Fragen mit einer Politik aufwartet, die manchmal deutlich rechts der Landes-CDU zu verorten ist“, sagt Angelika Beer von der Piraten-Fraktion.

Im Fall Hakopjan hat Breitner das letzte Wort. Die unabhängige, aber dem Ministerium zugeordnete Härtefallkommission berät in den kommenden Wochen und wird dem Minister eine Stellungnahme vorlegen.  EST

Kundgebung gegen die Abschiebung der Familie Hakopjan: 15 Uhr, Ausländerbehörde Bad Segeberg, Hamburger Str. 30