Die Geheimnisse der Arbeiter

FABRIK Es ist ein zärtlicher Blick, den Regisseur Denis Côté in „Que ta joie demeure“ auf das Team Mensch/Maschine wirft (Forum)

VON MAXI OBEXER

„Du wirst gute Tage mit mir haben, begreife mich als deinen besten Freund, ich bin hier für dich, die Zeit ist kostbar für uns beide, vertrau mir, ich weiß, dass du es kannst. Wenn du respektvoll mit mir umgehst, werde ich dir meine Geheimnisse preisgeben. Also sei dir bewusst, was wir hier schaffen, ich bin keine Maschine. Ich besitze keine On-Off-Taste. Ich bin nicht kompliziert, ich bin offen. Und wenn du auf mich eingehst und verstehen lernst, wie ich reagiere, werden wir es hinkriegen. Der Wandel der Zeit wird auch dich verändern. Aber mach dir keine Sorgen, vertrau mir und bleib offen für alles, was kommen mag.“

Der jungen Frau, die diese Worte spricht, kann man ihre Erregung ansehen, ihre Wangen sind gerötet, die dunklen Augen verheißungsvoll offen, um die Lippen spielt ein Lächeln. Auch wenn das begehrte Gegenüber unsichtbar bleibt: Es sind die Worte einer Jungvermählten, offen, klar und zärtlich. Sie trägt einen blauen Overall, im Hintergrund leuchten übereinandergestapelte Metallröhren.

Sobald sie mit ihrer Ansprache zu Ende ist, geht der Lärm los im Rhythmus der Maschinen. Dieser Lärm wird uns kaum mehr verlassen, er wird den Takt verändern, die Lautstärke, die Instrumente, das Hämmern, Dröhnen, Stampfen, Pfeifen, doch was anfangs kaum auszuhalten ist, wird langsam zur Musik, die nur verstummt, wenn die Kamera mit den Arbeitern eine Pause macht, durch die Fabriktore nach draußen führt, wo es hell ist, ruhig und sonnig.

Aber sonst auch nichts; in „Que ta joie demeure“ ist die Welt außerhalb der Fabriktore ereignislos. Die Welt der Maschinen dagegen, ihre Bewegung, ihre Abläufe, ihr unermüdliches Schaffen ist das, worum es geht in diesem Film des frankokanadischen Regisseurs Denis Côté. Und um die Menschen, die sie bedienen, die ihre Handlanger sind. Wenn’s läuft, sind sie ein eingespieltes Team, die Maschinen und die Menschen.

Im Laufe des Films lernen wir viele von ihnen kennen, wir bewegen uns durch Hallen, in denen produziert wird, zwischen Pressen, Fräsen, Dampfwalzen, denen die Tücher entsteigen wie auffliegende Engel. Schwere metallverarbeitende Maschinen bekommen Gestalten, Formen und Gesichter. Wir sehen, was und wie viel dabei entsteht, Massen an Ersatzteilen, stapelweise weitertransportiert, wieder mit Maschinen. Wir ahnen, mit welcher Präzision sie Stunden, Monate, Jahrzehnte dasselbe tun, während sie alt werden, mit den Menschen. Die haben sich an ihre Geräusche gewöhnt und sich anpasst mit ihren Körpern, indem sie Jahr um Jahr dieselben Griffe tun und dieselbe Bewegung ausüben.

Der Blick, den der Film anbietet, richtet sich auf die gemeinsame Zeit, die Menschen mit den Maschinen verbringen, und es ist ein zärtlicher Blick. Die Arbeit, die sie miteinander leisten, ist eine beständige Kommunikation, die sie mit Wachsamkeit, Präzision und einer Menge Fertigkeit führen. Außenstehende können wenig davon wissen, es sind die Geheimnisse, die die Arbeiter mit ihren Maschinen teilen.

Dieser Blick auf sie ist nicht geprägt von Knechtschaft, Stumpfheit und Entfremdung als Prämisse. Sie vertreten diesen Job, sie wissen, was sie tun, vor allem verstehen sie ihn zu tun, und das so gut, dass sie ihn heute blind tun können, wofür sie Jahre brauchten – in gemeinsam ertragener Geduld. Es ist ein durchaus befreiender Blick.

■  13. 2., Zoo Palast 2, 22 Uhr