Drohne der EU stürzt auf Armenviertel

Im Kongo zerstört ein unbemanntes Aufklärungsflugzeug sechs Hütten in einem Fischerviertel der Hauptstadt Kinshasa. Acht Menschen werden verletzt, sechzehn verlieren ihre Unterkunft. Die Drohne sollte die Lage rund um die Wahlen beobachten

AUS KINSHASA DOMINIC JOHNSON

Es war der ganze Stolz der EU-Truppe in der Demokratischen Republik Kongo: die zwei Drohnen, unbemannte Aufklärungsflugzeuge aus Belgien, mit denen die Eingreiftruppe Eufor ab dem gestrigen Wahlsonntag im Kongo, zugleich offizieller Beginn der EU-Mission, aus der Luft Satellitenbilder machen und sich laufend über die Entwicklung informieren wollte. Jetzt ist das bis auf weiteres abgesagt. Denn eines der beiden Kleinflugzeuge fiel am Freitagnachmittag bei einem Probeflug vom Himmel und stürzte mitten in eine Armensiedlung der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa.

Die Adresse Avenue Leza 12 im so genannten Fischerviertel des Stadtteils Kingabwa direkt am Kongofluss besteht jetzt nur noch aus einem Haufen verkohltem Wellblech über geschmolzenen Lehmziegeln und verbrannten Balken. Angekokelte Bibelseiten liegen im schwarzen Matsch neben Stofffetzen und unbrauchbaren Emailletöpfen.

„Die Maschine überflog uns, dann hielt sie plötzlich mitten in der Luft an und fiel herunter“, erzählt die 21-jährige Bani Katende aufgeregt. „Der Motor fiel hier auf dieses Grundstück. Es gab viel Rauch. Nach acht Minuten ist der Motor explodiert.“ Eine Hüttenreihe von sechs Wohneinheiten ging in Flammen auf, sechzehn Menschen haben ihre Wohnungen und ihre Habe verloren.

Nur durch ein Wunder gab es keine Toten; acht Menschen erlitten Verbrennungen, einer bis zu zehn Prozent der Körperoberfläche. „Die meisten Leute hier sind Fischer und sie waren auf dem Fluss“, sagt Alphonse Boide, jüngster Sohn der 76-jährigen Grundstücksbesitzerin, die zwischen den Ruinen auf einem Stein sitzt und laut vor sich hin schimpft. „Ihr sind 1.800 US-Dollar Bargeld verbrannt“, erklärt Alphonse, der eine Liste der Schäden für die Behörden und die Eufor zusammengestellt hat.

Der erste Kollateralschaden der EU-Truppe im Kongo hat die Eufor verunsichert. Die Nachricht wurde zunächst nicht veröffentlicht, sondern nur auf Anfrage und mit wechselnden Details bestätigt. Die Absturzursache bleibt unklar; Bundeswehrsprecher Peter Fuss zufolge wird zuerst eine Untersuchungskommission gebildet, mit Experten aus Belgien. So lange bleibt auch die zweite Eufor-Drohne in Kinshasa am Boden.

Das Fischerviertel ist eine Gegend schiefer Holzhütten einfachster Bauart, ohne sanitäre Einrichtungen und umgeben von Müll, der ein wenig flussaufwärts in großen Haufen gesammelt und von Kindern per Hand getrennt wird: Scherben hier, Plastikfetzen dort, Stoffe hinten. Die meisten Menschen leben von der Hand in den Mund, Gänse und Hunde laufen durch die Höfe.

Aber besondere Animositäten gegenüber Europa scheint der Flugzeugabsturz nicht hervorgerufen zu haben. Zwei französische Sanitäter sind angekommen und schauen nach, ob noch Verletzte zu beklagen sind. In der Hütte von Bani Katende direkt hinter der Brandstelle finden sie die winzige Frühgeburt der 21-Jährigen, ein verschrumpelter und erschreckend dünner kleiner Junge namens Mbundu Fataki, ein Monat alt, zwei Kilo schwer. Er hat seit dem Brand die Augen nicht mehr aufgemacht, die Familie befürchtet eine Rauchvergiftung.

Nach kursorischer Untersuchung befinden die Franzosen, es sei alles in Ordnung. Dann fotografieren sie sich gegenseitig mit dem Baby in der Hand, das sogar einmal den Mund aufmacht. „Er ist schwach, man muss ihm alle vier Stunden was zu trinken geben“, erklären sie der jungen Mutter. Die schaut ungläubig. So ein Luxus in einer Stadt, wo ein Viertel der Bevölkerung nicht mal einmal täglich zu essen hat. Europa bleibt eine fremde Welt, selbst wenn es vom Himmel in den Kongo hineinfällt.