„Ich glaube nicht an Intimität“

EXIL Ein Gespräch mit René Frölke zu seinem Porträt „Le beau danger“ über den Autor Norman Manea (Forum)

■ Der Film: „Le beau danger“ porträtiert den Schriftsteller Norman Manea, der in den USA lehrt und durch Werke bekannt wurde, in denen er seine jüdische Kindheit im Zweiten Weltkrieg, aber auch die Einsamkeit eines Autorenlebens im kommunistischen Rumänien vor seiner Ausreise reflektiert.

■ René Frölke: 1978 in der DDR geboren, studierte Medienkunst in Karlsruhe. Er lebt in Berlin.

INTERVIEW BERT REBHANDL

taz: Herr Frölke, wie kam es dazu, dass Sie einen Porträtfilm über den aus Rumänien stammenden Schriftsteller Norman Manea gemacht haben? Kannten Sie seine Arbeiten schon lange?

René Frölke: Nein, das kam eigentlich zufällig. Anlässlich seines 75. Gebrtstags sollte ein Film gemacht werden, ich kam zuerst als Kameramann dazu, erst später als Regisseur. Mich interessierte, ob man den literarischen Texten von Manea mit den Bildern noch etwas hinzufügen kann. Seine Bücher sind ja stark autobiografisch, er hat sich selber schon sehr stark ausgeleuchtet. Kann man dazu noch was anderes machen? Was macht der Text mit dem Film? Das wollte ich wissen.

„Le beau danger“ zeichnet sich durch einen originären Umgang mit den literarischen Texten aus, die als Inserts weit über bloße Zitate hinaus verwendet werden. Wie kam das?

Dass die wichtig sein würden, wollte ich von Anfang an. Es sollte kein Voiceover geben und keine illustrativen Bilder, sondern der Text und das Bild sollten eigenständig sein. Dass das so deutlich werden würde, fiel als Entscheidung im Laufe des Schnitts. Ich hatte eine Kurzgeschichte ausgewählt, und die zerfiel, wenn ich sie nur in Ausschnitten präsentierte. Also dachte ich mir: Ich muss das jetzt durchziehen. Es sind so acht, neun Seiten Buchtext, die ich komplett in den Film übernommen habe. Zu der Kurzgeschichte kommen auch noch Fragmente aus dem Roman „Der schwarze Briefumschlag!“

Das erste Insert ist sehr pointiert: „Nein.“

Das ist vorgeschaltet. Eine Art Eröffnungszug …

für einen Film, der auf bestimmten Negationen beruht.

Denen aber auch positiv etwas entspricht. Die Inserts sind Schwarz auf Weiß, während die Filmaufnahmen helles Licht in der Dunkelheit finden, das sind also zwei Verfahren, die einander entsprechen. Film, Video und Text machen nun jeweils ungefähr ein Drittel des Films aus.

Wie war die Zusammenarbeit mit Norman Manea?

Ich habe ihn im Grunde zweimal kennengelernt, zuerst die Texte, dann die Person. Dabei ist über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren, von denen wir etwa 40 Tage gedreht haben, immer eine Distanz geblieben. Das war ein Vorteil, weil mich das gezwungen hat, die Texte zu verwenden.

Der Film erschließt also kein privilegiertes Wissen hinter den Texten, wie das in Autorenporträts häufig fast die Grundbedingung zu sein scheint.

Ich glaube nicht so richtig daran. Intimität, auch wenn sie sich einstellt, muss ja nicht unbedingt dem Publikum vermittelbar sein.

Es gibt zwei Szenen auf Friedhöfen, entsprechend zu Maneas Biografie, die durch Verluste und Exil geprägt ist. Sind das Momente der Intimität?

Der eine Friedhof liegt in Rumänien in der Bukovina, wo Norman Maneas Mutter begraben ist. Der andere ist in der heutigen Ukraine. In der Gegend, in die er mit anderen Juden während des Zweiten Weltkriegs deportiert worden war. Das eine haben wir während einer Reise in Rumänien gedreht, wo er selten ist, zumeist lebt er in Amerika. Ich habe generell eher Angst, solche Sachen zu filmen, das ist schwierig. Ohne Ton hat es dann aber doch funktioniert. Die andere Reise in die Ukraine habe ich allein gemacht, dafür waren Kurzgeschichten der Ausgangspunkt, die sich auf die Kindheit und die Zeit im Lager bezogen. Ich wollte Eindrücke sammeln, sehen, was sich aus den Fragmenten zusammensetzen lässt. Die Grabsteine haben ein Eigenleben, weil die auch Text sind, so multiplizieren sich wieder die Figuren aus den Texten. An dieser Komplexität war mir gelegen.

Sie filmen sehr diskret, suchen praktisch nie die direkte Begegnung mit Manea.

Das ist, glaube ich, meine Haltung, Deswegen mache ich auch die Kamera selber, weil ich mich eben so hinstelle, wie ich mich hinstelle. Das hat schon was mit Kleinmachen und Verschwinden zu tun. Und Buchmessen sind ja ein lauter Raum, das hat überhaupt nichts mit Lesen zu tun.

Viele Situationen entsprechen denen aus Ihrem Kurzfilm „Führung“, in dem zu sehen ist, wie der damalige Bundespräsident Köhler durch das ZKM in Karlsruhe geführt wird, von den beiden zugleich eitlen und beflissenen Starprofessoren Sloterdijk und Weibel.

Das hat eben mit einem Interesse an diesen „private fears in public places“ zu tun, was ich vielleicht auch gern verwendet hätte, wenn es diesen Titel nicht schon gäbe. Hinter dem Schauspiel sehen wir doch die wahren Menschen, in dieser Länge, ohne dass ich persönlich mit ihnen eine Beziehung aufbauen muss. Das geht aber nur durch die Dauer und die Penetranz. Das habe ich sicher auch aus der Zusammenarbeit mit Thomas Heise, mit dem ich bei „Material“ zusammengearbeitet habe. Wir hatten die gleichen Aversionen – zum Beispiel gegen das unmittelbare Zeigen von Bühnensituationen.

Sie gehören zwar zum Medienbetrieb, der die Kultur umgibt und sie auch ausmacht. Doch zeigt „Le beau danger“ vor allem eine kritische Differenz.

Für mich ist der Gegenstand nicht der Protagonist als solcher und die Bühne, auf der er auftritt, sondern das ganze Schauspiel drumherum. Die Medien produzieren Informationen, das muss knapp sein, schnell schneidbare Schnittbilder zum Beispiel. Mein Interesse ist das Lange. Bei „Führung“ ging es mir zum Beispiel vor allem darum, den Text abzugreifen. Die Dialoge haben mich mehr interessiert als das Bild, der Film würde auch als Hörspiel funktionieren.

Können Sie vom Filmemachen leben?

Ich weiß gar nicht, ob ich das will. Ich arbeite als Cutter und Kameramann frei fürs Fernsehen. Wenn das Filmemachen jetzt mein Broterwerb wäre, dann erschiene mir das wie eine Falle.