Wal-Mart gibt in Deutschland auf

Der größte Einzelhandelskonzern der Welt verkauft seine deutschen Filialen an die Metro. Harter Wettbewerb und erfolgloses Geschäftskonzept brachten dem Konzern jahrelange Verluste. Für die Beschäftigten soll sich nichts ändern, verspricht die Metro

VON TARIK AHMIA

Ein Riese räumt das Feld: Der US-Handelsriese Wal Mart wird alle seine 85 deutschen Filialen an den Metro-Konzern verkaufen. Sie werden in die Metro-Warenhauskette Real eingegliedert. Das gaben gestern beide Handelskonzerne bekannt. Über den Verkaufspreis herrscht Stillschweigen. Die Metro-Tochter Real wird damit zur größten SB-Warenhauskette in Deutschland, sagte Metro Vorstand Hans-Joachim Körber. Die Übernahme muss von den Kartellbehörden noch genehmigt werden.

Für die 11.000 Wal-Mart Beschäftigten werde sich „überhaupt nichts ändern“, versicherte Körber. „Dort, wo Filialen von Real und Wal-Mart nahe zusammen liegen, könnte es zu Schließungen kommen“, warnte aber der Trend- und Handelsspezialist Ulrich Eggert gegenüber der taz.

Mit dem Verkauf zieht Wal Mart einen Schlussstrich unter sein erfolgloses Deutschlandgeschäft. Vor acht Jahren war der Konzern in den deutschen Markt eingestiegen. Damals hatte der Konzern die Wertkauf- und Interspar-Supermarktketten gekauft.

Wal-Mart-Vizevorstand Michael Duke begründete den Rückzug mit ausbleibendem Erfolg: „Unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland ist es schwierig, die von uns angestrebte Größe und die angestrebten Ergebnisse zu erreichen“, sagte er.

„Wal Mart hat den Widerstand des Handels einfach unterschätzt“, sagt Markus Oess, Handelsspezialist beim Fachmagazin Lebensmittelpraxis. Der Markt werde von hart kalkulierenden Lebensmitteldiscountern bestimmt. Ihr Geschäftsmodell basiert auf geringen Gewinnspannen, großen Absatzmengen und wenig Personal. „Mit der Logistik der deutschen Einzelhandelskonzerne konnte Walmart nicht mithalten“, sagt Oess.

Auch beim Führungspersonal habe der US-Konzern keine glückliche Hand bewiesen. „Das war ein Feuerstuhl. Das Management wurde häufig ausgetauscht“, so Markus Oess. Die ersten Jahre wurde das Deutschlandgeschäft von der England-Zentrale aus geführt.

„Wir haben in Deutschland im Lebensmittelbereich europaweit den härtesten Wettbewerb“, bestätigt auch Ulrich Eggert. Deutsche Konsumenten geben nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Nielsen für Lebensmittel nur 85 Prozent der Summe aus wie der EU-Durchschnitt. „Damit kommt Wal-Mart nicht klar“, sagt Eggert.

In den USA beherrscht Wal Mart einen großen Teil des Einzelhandels. 3.700 US-Filialen und weitere 2.700 Märkte in 14 Ländern erwirtschafteten 2005 einen Umsatz von 312 Milliarden US-Dollar. Geringe Renditen veranlassten den SB-Warenhauskonzern bisher nur in Südkorea und Brasilien dazu, sich aus dem Markt zu verabschieden. Doch der Rückzug aus Deutschland hat offenbar kulturelle Ursachen.

„Der Deutsche will nicht umsorgt werden, er will die Arbeit lieber selber machen“, sagt Ulrich Eggert. Das Unternehmen wollte sich nicht nur mit niedrigen Preisen, sondern auch mit Kundenservice nach US-Standards von seinen Konkurrenten abgrenzen. „Deutsche Kunden wollen im Discounter ihre Einkäufe lieber selber einpacken und nicht umsorgt und umhegt werden“, sagt Konstanze Senge, die an der TU Darmstadt zu Wal-Mart geforscht hat. Wal-Mart habe von Anfang an sein Service-Versprechen nicht einlösen können, weil weder die Kunden noch die Mitarbeiter es angenommen hätten. „Die Leute wunderten sich oder fühlten sich belästigt“, sagt Senge. So ist Deutschland das einzige Land, in dem Wal-Mart schon nach kurzer Zeit seine Begrüßungsangestellten von den Eingängen abzog, da sich Kunden irritiert fühlten. Auch morgendliche Motivationsrunden der Mitarbeiter, die so genannten Morning Cheers, wurden wieder abgeschafft.

„Wal Mart hat sich zu wenig mit dem deutschen Markt beschäftigt“, glaubt auch der Soziologe Kai-Uwe Hellmann von der Universität Leipzig. Es reiche nicht, einfach die US-Kultur dem deutschen Markt überzustülpen.