Die größten Badespaßbremsen

Die ersten Badeseen im Norden kippen um, doch auch dem Schwimmen in den Flüssen steht einiges im Wege. Selbst an der Nord- und Ostsee sind die Badefreuden nicht mehr ungetrübt. Die taz nord nennt die Ursachen

Die Wasserskifahrer

Der 1. Hannoversche Leinebadetag ist, man muss es wohl so sagen, eingeschlagen wie eine Arschbombe. 2.500 Besucher waren zur Eröffnung des kleinen Streifens Sandstrand Mitte Juli in den Stadtteil Linden gekommen. Doch nun stehen hier Schilder mit Totenkopfsymbolen, das Wasser- und Schifffahrtsamt könnte diese Woche ein Badeverbot verhängen. Es gibt so viel Krach, dass der zuständige Umweltdezernent Hans Mönninghoff inzwischen am liebsten „eine Reihe Nato-Draht“ über die Badestelle ziehen würde. Das Problem: Die Lindener planschen immer noch in der Leine und feiern, dass der Fluss wieder badetauglich ist. Dabei war die Aktion nur auf einen Tag beschränkt. Das kann höchst gefährlich werden, direkt an der Badestelle trainiert nämlich der Wasserski-Club. Der zahlt Gebühren. Vor zwei Jahren gab es bereits einen schweren Unfall. „Die Situation hat sich so zugespitzt, dass kein Kompromiss mehr möglich scheint“, sagt Projektkoordinatorin Julia Bolzig. Ihr Vorschlag: Badende sollten von Wasserskiläufern mit Bojen getrennt werden und die DLRG die Stelle bewachen.

Die Naturschützer

Der Umweltverband „Rettet die Elbe“ scheut sich nicht, seinen Kampf gegen die nächste Elbvertiefung auf dem Rücken der Abkühlung Suchenden auszutragen: Der Hamburger Senat dulde leichtsinnig das Baden im Strom, obwohl es in vielerlei Hinsicht gefährlich sei, tadelt der Verein. „Durch die laufenden Vertiefungen und Eindeichungen hat die Strömung eine Stärke erreicht, die nicht nur für viele Fische zu einem Problem geworden ist, sondern die auch geübte Schwimmer überfordert.“ Die Elbe habe nicht die von der EU-Badegewässerverordnung vorgeschriebene Sichttiefe von einem Meter, die es ermöglichen soll, Verunglückte zu finden. Im Übrigen sei nicht auszuschließen, dass sich an einigen Stellen mehr Fäkalbakterien im Wasser tummeln als erlaubt. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass er die Elbe nicht als Badegewässer betrachtet. Er lässt die Hamburger lediglich gewähren.

Die Blaualgen

In mehreren Gewässern des Nordens sorgen giftige Blaualgen für getrübten Badegenuss. So verhängte die Stadt Wilhelmshaven ein Badeverbot über den Banter See. Auch am Badesee „Alte Weser“ in Weyhe bei Bremen haben sich Blaualgen breit gemacht, die ein Indiz für akuten Sauerstoffmangel sind. Dort gilt ebenfalls ein Badeverbot. Der größte Badesee im Süden Niedersachsens, der Seeburger See zwischen Duderstadt und Göttingen, ist zumindest gefährdet. Ein Muschelsterben könnte Vorbote von Blaualgen sein. Bedroht ist auch die Ostsee. Die Blaualgenteppiche in der Eckernförder Bucht trieben zwar vor einer Woche ins Meer hinaus. Doch wenn der Wind dreht, können sie wiederkommen.

Der Hafenkapitän

Das Wasser ist es nicht, das ist längst wieder badesauber. Die Strömung ist es auch nicht, die hält eine weit in die Weser ragende Molenmauer ab. Dennoch herrscht am Bremerhavener „Weserstrandbad“ nach wie vor Badeverbot – wie es die 1967 erlassene „Verordnung über das Baden in den natürlichen Fließgewässern Bremerhavens“ vorschreibt. Sehr zum Unwillen von Harm Ahlers. Der Arzt ist Vorsitzender des im letzten Jahr gegründeten Vereins Weserschwimmer Bremerhaven. Der hat sich die „Förderung des Langstreckenschwimmens“ ins drei Kilometer entfernte, auf der anderen Seite der Wesermündung gelegene Nordenham auf die Fahnen geschrieben sowie die „Förderung des Schwimmens in Naturgewässern als Breitensport“. Ersterem steht die Fahrrinne mit ihrem stark strömenden Wasser entgegen, Letzterem der Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) und der Kapitän des Hansestadt Bremischen Hafenamts. Die verweisen auf angeblich gefährlichen Seegang bei auflandigem Wind ab Stärke 3. „Bekloppt“, schimpft Ahlers. Müsste demnach doch an allen Nordseestränden an 19 von 20 Tagen Badeverbot herrschen. Vor zehn Tagen immerhin, zum europäischen Flussbadetag, gab’s eine Ausnahme.

Die Entenflohlarven

Die Larven des Entenflohs suchen derzeit den Eichbaumsee in Hamburg heim. Das Baden ist darum verboten. Die kleinen Tierchen kommen überall vor, wo Wasservögel und Schnecken leben. Unter besonders ungünstigen Umständen kann es zu einem flächendeckenden Befall des Menschen kommen, normalerweise bevorzugen die Larven jedoch Enten als Wirtstiere. Im Darm der Wasservögel wachsen sie zu Würmern, die Eier im Vogelkot ablegen. Ist der Kot ausgeschieden, fressen ihn die Schnecken. Dort wachsen die Larven heran, die über die Exkremente der Weichtiere im Wasser landen, zur nächsten Ente schwimmen und sich durch deren Haut einen direkten Weg in den Darmtrakt bahnen. Menschen, die irrtümlich angefallen werden, sollten umgehend das Wasser verlassen und ausgiebig duschen. Hinterher gründlich mit dem Handtuch abrubbeln und schon bleiben von der Larvenattacke nur wenige rote und juckende Pusteln zurück.

Die Gezeiten

Mit dem Baden in der Nordsee ist es so eine Sache: Eigentlich ist sie in heißen Sommern wie diesem das beste Badegewässer des Landes. Auch nach Jahrzehnten der Dünnsäureverklappung und zahlreichen Ölunfällen ist das Wasser ziemlich sauber – schließlich wird es von Ebbe und Flut zweimal täglich umgerührt, so dass die Schadstoffe weit in den Atlantik hinaus verdünnt werden. Die Kehrseite der Medaille: Immer wenn man baden will, ist garantiert gerade das Wasser weg. Vor dem Schwimmspaß liegt dann erst mal ein Gewaltmarsch durchs Watt. Bei manchem Kleinkind ist der Anblick des platten Ödnis Grund genug für einen Wutanfall, der sich gewaschen hat, wirkt das Versprechen eines Badeurlaubs doch wie glatter Betrug.

Der Pseudomonas

Erst vor zehn Tagen wurde „Deutschlands erstes natürliches Flussbad“ in Oldenburg eröffnet, seit Montag ist es gesperrt. Trotz ökologischer Reinigung durch Kies und Ozon hat sich ein Keim namens Pseudomonas Aeruginosa in den 2.500 Quadratmeter großen Wasserbereich in einem Altarm der Hunte eingeschlichen, der beim Menschen zu Infektionen führen kann. Dabei hatten die Oldenburger das neue Angebot der Wellness-Welt „Olantis“ freudigst begrüßt. Täglich kamen 3.000 Besucher ins Flussbad, einer nur durch Spundwände und Planen von der Hunte abgetrennten Badelandschaft mit Sand und Strandkörben. In den 80er Jahren war das Baden wegen Wasserverschmutzung verboten worden.

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