Schwarze Balken für die Wahrheit

Der „ungebetene Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim“ hat der Familie des verstorbenen Kölner Großfinanziers nicht gepasst: Das Buch „Der Bankier“ von Werner Rügemer gibt es nur noch mit geschwärzten Stellen. Die umstrittenen Geschäfte des Bankhauses kritisiert der Autor jedoch weiter

VON FRANK ÜBERALL

Werner Rügemer hat viele Bücher geschrieben. Aber das ist dem Kölner Publizisten nie passiert: Das gerade fertig gestellte und an die Buchhandlungen ausgelieferte Werk wurde verboten. „Der Bankier“ heißt das umstrittene Buch: „Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim“. Die Oppenheims haben nicht nur nicht darum gebeten, sie haben mit allen Mitteln gegen die Veröffentlichung der Streitschrift gekämpft.

In dem Buch schildert Rügemer das Leben des verstorbenen Seniorchefs der Bank und bringt es in Verbindung mit der Darstellung von Geschäftszweigen und -praktiken des Hauses Oppenheim und seiner Tochterfirmen. Als Anlass für seine reportagehaft angelegten Texte nimmt Rügemer die Trauerfeier, die für den Protestanten Oppenheim im vergangenen Jahr im katholischen Kölner Dom stattfinden durfte. Er erzählt, welche Gäste er dort gesehen und in welcher Beziehung sie zum Verstorbenen und seinen Geschäften standen. Das Gleiche wiederholt er anschließend auf dem Friedhof, wo er die Namensschleifen auf den Grabkränzen analysiert.

Das alles mag man im diskreten Kölner Reichen-Bankhaus morbide und unangebracht finden, damit lässt sich aber noch kein Verbot rechtfertigen. Also nahmen sich Anwälte einer Berliner Medienkanzlei das Werk vor und zerpflückten es. Heraus gekommen sind über 20 Punkte, die nach Ansicht der Juristen falsch sind. Zwar gibt es den einen oder anderen Punkt, der womöglich als fehlerhaft ausgelegt werden könnte. Unter anderem wurde in einem Schreiben aber auch darüber lamentiert, ob das Portrait des Seniorchefs in der Eingangshalle der Bank gemalt oder fotografiert ist.

Konkret analysiert Rügemer vor allem das öffentlich weitgehend unbekannte Engagement der Bank bei der Privatisierung öffentlicher Firmen. „Da steht die Bank eher auf der Seite der Investoren und von deren Vorteilen – die Städte werden dabei über den Tisch gezogen“, meint der Korruptionsforscher, Vize-Präsident der Organisation „Business Crime Control“ und Lehrbeauftragte der Kölner Universität. Derart inhaltlich angegriffen zu werden – ob zu Recht oder nicht – behagt dem Bankhaus offenbar nicht. „Geheim, geheimer noch als geheim“ ist die Geschäftspolitik eben. Die wohlhabenden Anleger schätzen es nicht, wenn über ihre Finanz-Aktionen öffentlich kritisch diskutiert oder auch nur berichtet wird.

Mit einigen Punkten setzten sich die Anwälte vor einem Berliner Gericht durch. Per Einstweiliger Verfügung untersagten sie den Vertrieb des Buches. Zuvor aber schrieben sie schon die Buchhändler an. So erhielt Ulrich Klinger von der „Buchhandlung für ausgesuchte Literatur“ im Kölner Stadtteil Bickendorf einen juristischen Schriftsatz per Fax. Wenn er nicht binnen Stunden antworte, könne er bestraft werden, hieß es sinngemäß – weil er sich quasi der Verbreitung von Lügen schuldig gemacht habe. „Das ist für mich ein Relikt aus vordemokratischen Zeiten“, schimpft Klinger.

Doch Rügemer wäre nicht Rügemer, wenn er sich tatsächlich den Mund verbieten ließe. Auch wenn er bestimmte Aussagen nicht wiederholen darf, kritisiert er weiterhin Bauprojekte wie die Kölnarena und die Kölner Messehallen. Beide wurden errichtet von einem Immobilienfonds, der eine Tochter des Troisdorfer Bauunternehmers Esch und des Bankhauses Oppenheim ist. Beide Projekte sind nach Ansicht Rügemers ungünstig für die Stadt Köln. Im Fall der Messe ermittelt sogar der Staatsanwalt. „Mir haben viele Leute gesagt: Mensch, die Bank Oppenheim und der Esch-Oppenheim-Fonds hätten doch froh sein können, dass sie bei der Kölnarena so relativ günstig mit einem blauen Auge raus gekommen sind“, erklärte Rügemer im Gespräch mit der taz: „Dass die dasselbe Muster noch mal machen – mit der selben Stadt – das hat doch bundesweit großes Aufsehen erregt.“

Derzeit gibt es nun eine Auflage des Buches in den Läden, in der die vom Bankhaus angeprangerten Stellen in „Der Bankier“ geschwärzt sind. Rügemer will aber weiterhin mit seinem Verlag gegen das Verbot vorgehen und wird dabei bereits von der Gewerkschaft Ver.di unterstützt.

Wer sich trotzdem aktuell über eines der wichtigsten Geschäftsfelder des Hauses Oppenheim informieren will, kann das auch in einem anderen neuen Werk von Rügemer – in seinem ebenfalls jüngst erschienenen Buch „Privatisierung in Deutschland – eine Bilanz“ beschäftigt er sich auf etlichen Seiten mit dem Bankhaus. Systematisch zeigt er auf, wie zum Beispiel Volksvertreter in (teil) privatisierten öffentlichen Unternehmen den Einfluss verlieren. Und auch hier finden wir wieder den Zusammenhang zwischen Kölnarena und Messe: „Bei den Messehallen handelt es sich um eine Wiederholungstat.“

Werner Rügemer: Der Bankier (geschwärzte Ausgabe), Verlag Nomen, ISBN: 3-9809981-9-3ders: Privatisierung in Deutschland, Verlag Westfälisches Dampfboot, ISBN 3-89691-630-0, 204 Seiten