Bundestag soll rauchfrei werden

Die Rauchverbieter im Bundestag gehen jetzt sogar gegen qualmende Kollegen vor: Schon ab Herbst soll das Parlament Nichtraucherparadies werden – kein Pfeifchen auf dem Gang, kein Zigarettchen in der Kantine. Bald soll das ganze Land folgen

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Die Qualmgegner im Bundestag wollen das Rauchen auch im Parlament verbieten. Das Vorhaben geht von der Grünen-Fraktion aus, die in einem Antragsentwurf verlangt, „dass mit Wiederbeginn der Sitzungsperiode im Herbst 2006 in allen Sitzungsräumen, gastronomischen Einrichtungen und Verkehrsflächen des Deutschen Bundestages das Rauchen verboten ist“.

Der SPD-Politiker Lothar Binding, Anführer der Rauchbekämpfer in seiner Fraktion, sagte der taz: „Ich bin dafür, wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen.“ Die Drogenbeauftragte der Unionsfraktion, Maria Eichhorn, sagte: „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Bundestag vormacht, was wir für alle öffentlichen Einrichtungen anstreben: Rauchfreiheit bis auf einige strikt abgetrennte Räume.“

Bisher wird im Parlament in Büros, auf Gängen und im Restaurant geraucht. Die Initiative könnte für Ärger sorgen, falls Tabakliebhaber wie SPD-Fraktionschef Peter Struck keine Lust haben, ihr Pfeifchen in vernebelten Extrazimmern oder gar vor der Haustür zu rauchen. Die Grünen-Politikerin Irmingard Schewe-Gerigk, die im Ältestenrat des Parlaments sitzt, hat das Thema auf die Tagesordnung des zuständigen Gremiums setzen lassen. Die „Innere Kommission“ des Ältestenrates wird sich deshalb Anfang September mit dem Vorschlag beschäftigen. „Die Chancen sind sehr gut. Wir könnten das sofort beschließen“, sagte Schewe-Gerigk. „Man sollte nichts von anderen verlangen, was man selber nicht umsetzt.“

Damit meint sie zwei Bundestagsinitiativen, die das Rauchen deutschlandweit in Gaststätten und öffentlichen Einrichtungen verbieten lassen wollen. Eine kommt von der Grünen-Fraktion. Die zweite trägt die Namen Bindings und zweier weiterer SPDler. Sie soll fraktionsübergreifend Zustimmung finden. Binding berichtete, es hätten schon rund 150 Parlamentariern unterschrieben, hauptsächlich von SPD und Linkspartei, aber auch einige von CDU und CSU.

Beide Anträge fordern die Bundesregierung auf, ein Gesetz zu erarbeiten. Das Rauchen in Restaurants und Kneipen soll ausnahmslos verboten werden. Die Grünen schreiben, dass es über die Arbeitsstättenverordnung laufen muss, im Binding-Antrag wird das offen gelassen. Für das Gaststättenrecht sind nach der Föderalismusreform zwar die Länder zuständig, Arbeitsschutz ist aber Bundesangelegenheit. Geht also, sagen die Grünen. Unionspolitiker prüfen dagegen noch, ob die Kompetenzen des Bundes reichen.

Offen ist auch, ob der Bund einfach über Rauchen und Nichtrauchen in allen öffentlichen Einrichtungen gebieten kann. Die Bürgerinnen und Bürger sollten, so heißt es im Grünen-Antrag, „unverzüglich“ in allen Einrichtungen und Behörden „im Zuständigkeitsbereich des Bundes“ vor dem Passivrauchen geschützt werden. Der SPD-Antrag spricht von „allen öffentlichen Bereichen“, einschließlich Verkehrsmitteln, Schulen, Universitäten. Binding will die Details Ministerialbeamten überlassen, die später einen Gesetzentwurf austüfteln sollen. Die Grünen wollen dagegen frühzeitig möglichst genau werden. Beide möchten jedoch ihre Anstrengungen bündeln. Priorität habe ein interfraktionelles Vorgehen, heißt es in einem Grünen-Papier. Binding sagte: „Ich bin ganz sicher, dass wir uns mit den Grünen einigen.“ Unions-Gesundheitspolitiker drängen zwar auf eine zügige Regelung, prüfen zurzeit jedoch, wie der Antrag gefasst werden soll. Die FDP ist gegen zusätzliche Rauchverbote.

1998 war ein Nichtraucherschutz-Gesetz gescheitert. 74 Prozent der CDU- und 82 Prozent der CSU-Abgeordneten waren dagegen. Einige Abgeordnete stimmten damals überraschend mit Nein oder schwänzten.

Was die Union anbelangt, ist SPD-Politiker Binding zuversichtlich. Er arbeite eng mit den Koalitionspartnern zusammen. Allerdings vermutet er, dass Wirtschaftsverbände versuchten, Unionspolitiker zu Kompromissen zu bewegen.

Die Sprecherin des Verbandes der Cigarettenindustrie (VCD), Andrea Winkhardt, sagte auf Anfrage, ihr Verband werde nach der Sommerpause „ganz zweifellos“ die Politik ansprechen. Völlig rauchfreie Restaurants seien meist Pleite gegangen. „Das waren echte Misserfolge.“ Wenn in einem Gebäude das Rauchen nicht erwünscht sei, könne das vor Ort geregelt werden: „Das liegt in der Hand des Hausherrn.“