Der Stratege der Hisbollah

Überfordert von der Schwere seines Turbans und ein wenig schüchtern wirkt der Generalsekretär der Hisbollah, Scheich Hassan Nasrallah, auf den ersten Blick. Die schwarze Turbanfarbe verrät seine Abstammung: Er wird am liebsten Sayyid, Abkömmling des Propheten, genannt. Sein äußeres Bild sagt nichts über seinen charismatischen Charakter. Freunde und Feinde sind sich in der Beurteilung seiner politischen Bedeutung einig. Ob Frieden oder Krieg in der Region herrscht, bestimmt Nasrallah mit. Das gegenwärtige Duell zwischen der Hisbollah und Israel beweist es aufs Neue.

Der 46-jährige Nasrallah verkörpert die dramatische Entwicklung des Libanon in den vergangenen drei Jahrzehnten. In seiner Person kommt die politische Zerrissenheit des Landes ebenso zum Ausdruck wie der Versuch, diese zu überwinden. Eigentlich wollte der Sohn einer armen schiitischen Familie aus dem Südlibanon Gelehrter werden. Deshalb wanderte er 1976 in die heilige Stadt Nadschaf im Irak aus. Angesichts der Unterdrückung der Schiiten durch das Regime Saddam Husseins kehrte er 1978 in den Libanon zurück, wo der Bürgerkrieg (1975 bis 1990) in vollem Gang war.

Der konfessionell dominierte Bürgerkrieg prägte die Persönlichkeit Nasrallahs. Seine eigene Familie wurde aus Ost-Beirut vertrieben, und ihr Heimatdorf im Südlibanon stand lange unter der Herrschaft der kriegführenden PLO wie der späteren israelischen Besatzung. Entscheidend für den politischen Aufstieg Nasrallahs waren der israelische Einmarsch 1982 und die Vertreibung der PLO aus dem Libanon. Er gehörte 1983 zu den Gründern der Hisbollah, die sich ausschließlich dem Kampf gegen die israelischen Besatzer widmete. Die Partei überraschte damals die Welt durch ihren Kampfeinsatz, der sich des schiitischen Märtyrermythos bediente. Sie konnte erfolgreich den Befreiungskrieg gegen Israel mit dem Aufbau eines Sozialnetzes verbinden. Scheich Nasrallah musste 1992 nach der Ermordung seines Vorgängers das Amt des Generalsekretärs übernehmen. Seitdem hat er seine Partei dank syrischer und iranischer Unterstützung zur stärksten militärischen und politischen Kraft des Libanon entwickelt. Er erreichte im Mai 2000 mit dem bedingungslosen israelischen Abzug eine hohe Popularität über den Libanon hinaus in der gesamten arabischen Welt. Er wurde zum Symbol eines erfolgreichen Widerstands in einer Zeit, in der alle arabischen Führer vor der israelischen Übermacht kapitulierten. Nasrallah gilt als guter Stratege, der die Folgen seines Tuns klug mit einkalkuliert. Der Krieg mit Israel wird sein politisches Schicksal entscheiden.

ABDUL MOTTALEB HUSSEINI