Zauberhafter Zizou

Der 1:0-Erfolg gegen Brasilien bringt Frankreich nicht nur ins Halbfinale, sondern verwandelt zudem ein Team von McKinsey-Beratern in eine liebenswerte Altherrentruppe

AUS FRANKFURT ANDREAS RÜTTENAUER

Mit einem Mal sehen sie lässig aus, die französischen Nationalspieler, wenn sie mit ihren dunkelblauen Ausgehanzügen und hellblauen Einheitshemden nach dem Spiel an den Journalisten vorbeidefilieren. Werden sie angesprochen, bleiben sie stehen und geben gut gelaunt und nicht selten ausführlich Auskunft. Das Auftreten der Franzosen nach dem Spiel gegen Brasilien ist nicht zu vergleichen mit dem Gehabe der Anzugträger nach den ersten beiden Gruppenspielen der WM. Noch vor zwei Wochen wirkten die französischen Kicker in ihrer blauen Geschäftsuniform, das Handy am Ohr festgeschraubt, wie eine Truppe von ewig eiligen McKinsey-Beratern – unsympathisch. Jetzt sehen dieselben Männer, die so mancher Reporter wegen nicht mehr zeitgemäßer Arbeitsauffassung vor kurzem noch in den Ruhestand schicken wollte, wieder menschlich aus. „Die guten Alten“, wie sie ihr Trainer Raymond Domenech nach dem Spiel nannte, haben Brasilien im Viertelfinale durch einen überzeugenden 1:0-Sieg eliminiert. Doch der Jubel war verhalten. Denn die Spieler haben ihr Ziel noch nicht erreicht. „Wir wollen nach Berlin“, sagte Verteidiger Willy Sagnol.

Er war der Einzige aus seiner Mannschaft, der, ohne dass man ihn danach gefragt hätte, einen Spieler aus seiner Mannschaft besonders hervorgehoben hat, den Mann, der für die zauberhaften Momente an diesem Abend gesorgt hat. „Zinedine war unglaublich“, zeigte sich der rechte Außenverteidiger begeistert. Vor einem wieder einmal nicht zu überwindenden zentralen Abwehrquadrat mit Patrick Vieira, Claude Makelele, William Gallas und Lilian Thuram war Zinedine Zidane immer anspielbereit, machte sich einen Spaß daraus, auch einmal auf drei gegnerische Spieler zuzulaufen,um sie zu düpieren. Immer wieder schrien die Zuschauer in Frankfurt verzückt auf, wenn „Zizou“ eine Aktion erfolgreich abgeschlossen hat. Mehr Szenenapplaus hat bei dieser WM noch kein Kicker eingeheimst.

Was in der ersten Halbzeit nur schön anzusehen war, wurde nach der Pause dann effektiv. 30 Minuten lang dominierten die Franzosen das Spiel in einer Art, die Erinnerungen aufkommen ließ an das WM-Finale 1998, als entfesselt aufspielende Franzosen wie gelähmt wirkende Brasilianer regelrecht demütigten. Das 1:0 durch Thierry Henry (57.) fiel nach einem von Zidane getretenen Freistoß. Doch die Franzosen erarbeiteten sich Chancen auch aus dem Spiel heraus. Und an jeder Aktion war Zidane beteiligt, der aufspielte wie ein Straßenfußballer, der Tricks ins Spiel einstreute, die er sonst nur beim Training ausprobiert.

Trainer Domenech wollte auch nach diesem Galaauftritt des Kapitäns nicht von seiner Linie abweichen. Wieder sagte er, dies sei ein Sieg der gesamten Mannschaft gewesen, auch der Spieler auf der Reservebank. „Uns überrascht Zidanes Leistung nicht“, gab er immerhin zu, „wir wissen, was er kann.“ Und dann sang er wieder das Hohelied auf das Team. In der Tat schien es am Samstagabend so, als sei die Gruppe noch harmonischer geworden, als sie sich im Achtelfinale gegen Spanien präsentiert hatte. Und besser.

In der Kabine, so erzählte Raymond Domenech auf der Pressekonferenz, habe sich das Team auf den nächsten Gegner eingeschworen. „Das Ziel heißt 9. Juli“, sagte er und wies darauf hin, das zuvor noch die Hürde Portugal genommen werden müsse. „Die wissen, wie man spielt“, so Domenech, „die können das Spiel verlangsamen, den Rhythmus dann wieder erhöhen. Es ist eine brasilianische Mannschaft.“ Eine also, die ihre Probleme haben könnte mit den Franzosen.