AFRIKA AFRIKA
: Wehret den Anfängen!

Ein Deutschholländer in Südafrika

LUTZ VAN DIJK

Diese WM war ein Erfolg. Südafrika hat bewiesen, dass es so ein Großereignis perfekt organisieren kann, die Kriminalität zumindest für vier Wochen in Schranken verweisen und Fans aus aller Welt willkommen heißen kann. Wenn es doch einfach dabei bleiben könnte.

Die Zeichen mehren sich, dass dies nicht der Fall sein wird. In einigen Townships sind sogar die Tage bereits festgelegt, wann es den verhassten Flüchtlingen aus anderen afrikanischen Ländern an den Kragen gehen soll. Je nach Region soll es zum „Ausbruch“ von Gewalt gegen unerwünschte Ausländer entweder am 14., 15. oder 16. Juli kommen. Einige können es kaum noch abwarten, bis die letzten Touristen abgeflogen sind. Auch wenn der Polizeiminister bisher darauf beharrte, von „unbewiesenen Gerüchten“ zu sprechen, sind diese Zeichen in meiner täglichen Arbeit in einem Kinderhaus im Township Masiphumelele unübersehbar.

Fraglos ist die Mehrheit der Bewohner in unserem Township gegen Mord und Totschlag. Aber es braucht ja nur eine gewaltbereite Minderheit, um eine Mehrheit anzustacheln. Das geschah im Mai 2008, als über 60 Menschen im Land ermordet und zehntausende vertrieben wurden. Es kann wieder passieren.

Auch weil sich seit damals nichts verändert hat. Die vielen Demonstrationen gegen Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot haben bislang kaum irgendwo zu spürbaren Verbesserungen geführt. Die Proteste wurden auch nicht beendet, sondern nur „ausgesetzt“ – für die Dauer der WM. Wer jetzt schweigt, macht sich mitschuldig.

Bitte, Präsident Zuma und Fifa-Präsident Blatter: Lobt in Eurer Abschlussrede das südafrikanische Volk nicht nur für die Gastfreundschaft der letzten vier Wochen, sondern sagt, dass Ihr die gleiche Freundlichkeit gegenüber den Ausländern erwartet, die nicht nach dem 11. Juli das Land in Flugzeugen verlassen können. Bitte, Eltern und Lehrer, erklärt Euren Kindern, Freunden und Nachbarn, dass es ein demokratisches Südafrika nicht gegeben hätte ohne all jene afrikanischen Nachbarn, die den südafrikanischen Freiheitskämpfern über Jahrzehnte Zuflucht und Unterstützung gewährten. Bitte, Polizisten und Sicherheitskräfte, seid ebenso konsequent und effektiv gegenüber jedem Anfang von Gewalt gegen arme Ausländer, wie Ihr es einen Monat lang für wohlhabende Fans wart.

Jeden Morgen gibt es bei uns im Kinderhaus eine Versammlung. Letzten Samstag begann ein Zehnjähriger, über Ausländerfeindlichkeit zu reden. Eine Erzieherin berichtete, wie sie als Kind Gewalt zwischen Zulus und Xhosa erlebte: „In einer Nacht kamen ein paar Xhosa zu uns, schlugen an die Tür und schrien: Ihr Zulus müsst verschwinden. Wir hassen eure Sprache! Dann ergriffen sie eine Mutter im Nachbarhaus und prügelten auf sie ein. Mein Vater stellte sich dazwischen. Ich hatte solche Angst und habe nur geweint. Wollt ihr, dass so was unseren Nachbarn geschieht?“

Alle Kinder schüttelten entschieden die Köpfe. Einige liefen zu der Erzieherin und umarmten sie. Es liegt an uns allen, was diese Kinder in ein paar Jahren denken und tun werden.

■ Lutz van Dijk arbeitet seit 2001 in Kapstadt für HOKISA (Homes for Kids in South Africa, www.hokisa.co.za). Die Langfassung dieses Aufrufs steht auf www.taz.de