Ein Euro reinigt die Statistik

Die Arbeitslosenzahlen sind im Juni erneut gesunken – sagt die Statistik. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr entspricht der Zahl der 1-Euro-Jobber in der Stadt. Die gelten offiziell nicht als arbeitslos

von Richard Rother

Eine Erholung auf dem Arbeitsmarkt sieht anders aus. Zwar ist die registrierte Arbeitslosigkeit im Juni dank der Frühjahrsbelebung erneut gesunken – ein Grund zum Aufatmen ist dies aber nicht. Denn die Zahl sozialversicherungspflichtiger Stellen geht nach wie vor weiter zurück, und der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist den vielen 1-Euro-Jobbern zu verdanken. Denn die tauchen in der Statistik nicht als Arbeitslose auf.

Die Zahlen: Nach Angaben der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit hatten Ende Juni genau 289.945 Männer und Frauen keinen Job. Im Vergleich zum Mai ging die Arbeitslosigkeit in Berlin um 2,4 Prozent zurück. Die Arbeitslosenquote sank im Vergleich zum Vormonat um einen halben Prozentpunkt auf 17,2 Prozent. Binnen Jahresfrist ging sie um 2,1 Prozentpunkte zurück.

Doch vor allem der positive Schein im Vorjahresvergleich trügt: Zwar sank die Zahl der Arbeitslosen innerhalb eines Jahres um rund 33.500 Menschen. Doch fast ebenso viele Menschen, nämlich 32.700, verdingen sich derzeit als 1-Euro-Jobber. Vor einem Jahr waren es noch rund 11.500 weniger. Schlecht sieht es nach wie vor auch bei der entscheidenden Zahl aus: der der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Diese gingen innerhalb eines Jahres um rund 6.600 zurück, das entspricht minus 0,7 Prozent.

Gemischt fällt denn auch die politische Bilanz der aktuellen Arbeitslosenzahlen aus. Dass mittlerweile die wirtschaftliche Erholung auch Jobs schaffe, „ist ein Hoffnungszeichen“, sagte Arbeitssenator Harald Wolf (Linkspartei). Hier wirke sich die Wirtschaftspolitik des Senats aus. Dennoch brauche es eine öffentlich finanzierte, sozialversicherte Beschäftigung. Andernfalls drohe eine Spaltung der Gesellschaft. „Dass Erwerbslose derzeit ausgerechnet von führenden Sozialdemokraten in die Ecke von Almosenempfängern gedrängt werden, die nicht alles nehmen sollen, was ihnen zusteht, ist dabei besonders empörend“, so der Wirtschaftssenator.

Die Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz kritisiert hingegen die Politik des Senats. „Eine Berliner Arbeitsmarkpolitik findet unter Rot-Rot faktisch nicht mehr statt.“ Die rückläufige Zahl der erwerbslosen Jugendlichen verschweige, dass Tausende von ihnen in kurzfristige 1-Euro-Jobs gesteckt würden, anstatt ihnen schulische Abschlüsse und andere Bildungsangebote zu machen. Stattdessen benötige man eine Bildungs- und Nachqualifizierungsoffensive. Immerhin hätten 70 Prozent aller Arbeitslosengeld-II-Empfänger unter 25 Jahren keinen Schul- oder Ausbildungsabschluss.