Kritik an Flüchtlingsheimen bleibt erlaubt

PROZESS Ein Betreiber von Unterkünften für Asylbewerber scheitert mit seiner Klage vor dem Landgericht

Flüchtlingsratssprecher Georg Classen hat einen Prozess gegen einen Betreiber von Flüchtlingsheimen gewonnen. Die Gierso Boardinghouse GmbH war vor das Landgericht Berlin gezogen, weil das Unternehmen sich durch ihn diffamiert fühlte.

Anlass des Streits war eine Veranstaltung der Heinrich Böll Stiftung im November. Zwei Mitarbeiterinnen des Unternehmens hatten daran teilgenommen. Sie behaupteten, Classen habe gesagt, dass es in den Heimen der Gierso viel Ungeziefer gebe, dafür aber kein heißes Wasser für die Duschen, und dass dort zu wenige Mitarbeiter arbeiteten. Das Unternehmen wollte nun eine einstweilige Verfügung, damit Georg Classen diese angeblichen Äußerungen nicht mehr wiederholt.

Im Landgericht drängelten sich gestern die Besucher_innen. Im zuerst vorgesehen Saal standen lediglich 20 Plätze zur Verfügung, gekommen waren doppelt so viele.

Classens Anwalt Johannes Eisenberg ließ keinen Zweifel aufkommen, wer das Sagen im Gerichtssaal hat, und schnitt eins ums andere Mal sogar dem Richter das Wort ab. Die Unterlassungsklage sei nichts anderes als ein Einschüchterungsversuch und habe keinerlei Grundlage. Er sagte, Classen habe sich überhaupt nicht so geäußert, wie die Gierso-Mitarbeiterinnen es behauptet hatten. Classen sagte, er habe allgemein die Arbeit von Heimbetreibern kritisiert. Eine solche Klage sei in seiner jahrzehntelangen Arbeit noch nie vorgekommen. Sollte es häufiger solche Prozesse geben, würde die Kritik an Missständen in den Heimen massiv eingeschränkt.

Das Gericht ließ bei der Verhandlung erkennen, dass hier Aussage gegen Aussage stehe und damit während des Eilverfahrens nicht eindeutig geklärt werden könne, was der Wahrheit entspricht. Die Klage der Gierso Boardinghouse GmbH wurde abgewiesen. KIM TRAU