Sorglose Abende mit der besten Freundin

GIRL POWER Das Duo Icona Pop aus Stockholm mag seinen Dancefloor-Sound euphorisch und maßlos. Ihr Debütalbum „This is … Icona Pop“ hat Potenzial für viele Clubhits. Und queere Lesarten sind auch möglich

Mit Synthesizern, sanften Bässen und hohem Tempo kombinieren Icona Pop Gesang und gerade Beats zu Partyhits, die ohne Sexismus auskommen

„I crashed my car into a bridge – I don’t care, I love it!“ Plötzlich war dieser Satz überall. Er schien auch vielmehr ein Party- oder gar Lebensmotto als einfach nur ein Satz zu sein. Sei es in der Werbung von Coca-Cola light oder in der Folge von Lena Dunhams HBO-Serie „Girls“, in der die Protagonistin Hannah Horvath mit Kokain im Blut die New Yorker Clubszene aufmischt. Der Hit prägte sich gemeinsam mit bunten Bildern feierwütiger Tänzer in alle Köpfe ein, insbesondere in die junger Hörer. „I love it feat. Charli XCX“ ist der Song, der dem schwedischen Elektropop-Duo Icona Pop den Namen bestätigt: Zwei Freundinnen ernennen sich selbst zu Popikonen, und alle kaufen es ihnen ab.

Märchenhaft beginnt auch schon ihre gemeinsame Geschichte. Mit gebrochenem Herzen wurde Aino Jawo eines Abends auf eine Party geschleppt, in der Hoffnung, dass es ihr bald besser gehen würde. Gastgeberin war niemand anderes als ihre jetzige Bandkollegin Caroline Hjelt. Hjelt schwebte stimmungsmäßig auch in einem Tief, eine Mischung aus Apathie und Ratlosigkeit, weil sie mit ihrer Musik nicht weiterkam. Zwischen den beiden funkte es sofort, und noch am selben Abend beschlossen sie, mindestens die beste Popband aller Zeiten zu gründen.

Alkohol macht bekanntlich übermütig, aber Jawo machte Nägel mit Köpfen und besuchte Hjelt am nächsten Tag erneut. Im Gepäck trug sie ihren Rechner. Ohne jegliches Konzept fingen sie an, musikalisch zu experimentieren. Das Meer der Traurigkeit verebbte und sie schaukelten sich gegenseitig in Euphorie. Euphorisches lässt sich neben Intuitivem und der nihilistischen Attitüde auch auf ihrem Debütalbum „This is … ICONA POP“ hören.

Jeder der elf Tracks hat das Potenzial zum Clubhit. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es in den Texten vor allem um Feiern und Spaßhaben geht. Selbstbewusst, optimistisch und maßlos klingt die Musik von Icona Pop, eben nach genau diesem Großstadtabenteuer, von dem man sich vorstellt, dass es das Leben der beiden Stockholmerinnen bestimmt.

Es geht vor allem darum, mit der besten Freundin einen sorglosen Abend zu verbringen, statt sich dem erstbesten Typen an den Hals zu schmeißen. „Live fast, fly young“ heißt es in „We got the world“.

Mit Synthesizern, sanften Bässen und hohem Tempo kombinieren sie Gesang und gerade Beats zu Partyhits, die ohne Sexismus auskommen. Volle Pulle Girl Power!

Für den Sound der Neunziger haben Icona Pop sehr viel übrig. „You’re from the seventies but I’m a nineties-bitch“ betonen sie in „I love it feat, Charli XCX“, als sei es ein Qualitätssiegel. Man merkt das ihrer Musik an. Sie klingt nach Spice Girls und gelegentlich nach Grunge. Anders als ihre ebenfalls schwedischen Genossen The Knife, die den Pop der Gegenwart prägen, verzichtet das Duo auf philosophische Ansätze. Popmusik muss nicht immer von komplizierten Dingen handeln.

Platt sind Icona Pop trotzdem nicht, obwohl viel von Zweisamheit ausgegangen wird, zum Beispiel wenn es eher ein lyrisches Wir, ein Du und Ich als ein einsames Ich gibt. Dabei muss es sich aber gar nicht zwangsläufig um eine romantische Zweisamheit handeln, denn es wird viel Raum für queere Lesarten gelassen. Die beiden Frauen verzichten nicht darauf, sich das 2Pac-Zitat „All I need in this life of sin is me and my girlfriend“ anzueignen. Ein Zitat, das sich auch schon das derzeit stürmischste Musikpaar Jay-Z und Beyoncé in „Bonnie and Clyde“ auf die Fahnen geschrieben haben.

Icona Pop geben diesem Mosaik im Pop ein neues Umfeld: Eines, das auch ohne das ständige Betonen von romantischen Zweierbeziehungen funktioniert. Meinen sie „Girlfriend“ im lesbischen Kontext? Oder geht es um zwei Freundinnen, die sich gegenseitig über alles andere stellen? Es spielt keine Rolle, denn beide Interpretationen empowern in einer Zeit, in der Heteronormativität den Maßstab zu setzen versucht.

Auf dem Weg zu ihrem Erfolg begegneten Icona Pop unzählige Personen, die ihnen jegliche Chancen im Musikbusiness absprachen, sie von Grund auf verändern wollten und sich ihnen in den Weg stellten. „Wir schlossen sie einfach aus unserem Leben aus“, erzählt Aino Jawo, während Caroline Hjelt lachend hinzufügt „We killed them!“ Stark, selbstbewusst und fast schon ein bisschen albern: Elektropop mit einer Ladung Girl Power, genauso sollte er aussehen. HENGAME YAGHOOBIFARAH

■ Icona Pop: „This is … Icona Pop“ (Atlantic/Warner)