„Das wird in Hinterzimmern ausgehandelt“

SCHADENERSATZ Der Investitionsschutz gibt Firmen viel weiter gehende Rechte, als nötig wäre, sagt der Jurist Markus Krajewski

■ ist Professor für öffentliches Recht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander Uni Erlangen-Nürnberg. Er ist Vorstandsmitglied der Organisation für sozial gerechte Globalisierung Weed.

taz: Benutzen Unternehmen den Investitionsschutz, um auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen?Markus Krajewski: Der Investitionsschutz in Freihandelsabkommen bietet Unternehmen tatsächlich die Möglichkeit, Verordnungen oder Gesetze überprüfen zu lassen und damit gegebenenfalls auf die Gesetzgebung einzuwirken. Vor allem weil die Schiedsgerichte die Staaten zu Schadenersatz verurteilen können, wenn ein Gesetz ihrer Meinung nach gegen das Abkommen verstößt. Das klingt undemokratisch. Auf nationaler Ebene ist es normal, dass Unternehmen den Staat verklagen, wenn sie sich unrechtmäßig behandelt fühlen. Auf internationaler Ebene ist das aber ein etwas eigenartiges Recht. Wieso eigenartig? Einerseits ist die rechtliche Basis für solche Investor-Staat-Klagen sehr vage. Die Unternehmen können geltend machen, dass sie in dem fremden Land enteignet, unfair behandelt oder diskriminiert werden. Das sind sehr schwammige Begriffe, die unterschiedlich ausgelegt werden. Andererseits kommen die Fälle vor sogenannte Schiedsgerichte, das sind keine öffentlich tagenden Gerichte, sondern das wird in Hinterzimmern ausgehandelt. Wie läuft das ab? Die Schiedsgerichte bestehen aus drei Personen, meistens sind das Anwälte aus großen Kanzleien. Staat und Konzern berufen jeweils einen Anwalt, der wiederum die dritte Person bestimmt. Oft werden die gleichen Personen berufen. Letztlich ist es ein kleiner Kreis von Anwälten, der da verhandelt. Und wieso tun sie dies geheim? Unternehmen möchten ihre Geschäftsgeheimnisse natürlich nicht offenlegen. Solche Schiedsgerichte kommen sonst in Handelsstreitigkeiten zwischen zwei Unternehmen zum Einsatz. Diese Praxis hat man übertragen auf die Ebene von Staat und Investor. Ist das gerechtfertigt? Nein. Die Unternehmen können den jeweiligen nationalen Rechtsweg ausschöpfen, auch wenn das länger dauert. Das Sonderklagerecht, das ihnen der Investitionsschutz einräumt, ist meines Erachtens in der Regel überflüssig. Damit werden ausländische Konzerne besser gestellt als inländische, weil sie im Prinzip zweimal gegen Gesetze vorgehen können, einmal auf nationaler Ebene und eben über diese internationalen Schiedsgerichte. Brauchen die EU und USA neue Investitionsschutzregeln? Sowohl in der EU als auch in den USA gibt es ordentliche Rechtswege für Unternehmen. Deswegen halte ich einen Investitionsschutz zwischen diesen beiden Parteien für unnötig. Mein Eindruck ist, dass man damit so etwas wie einen goldenen Standard entwickeln will, der für andere Abkommen richtungsweisend werden soll. INTERVIEW: MAIKE BRZOSKA