Wohlhabende profitieren

Was bedeutet die Steuerreform der großen Koalition für das eigene Sparkonto ?

BERLIN taz ■ Wer viel Geld besitzt, kann mit Erleichterungen rechnen. Dies ist die Botschaft des neuesten Konzeptes zur Steuerreform aus dem Hause von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Neben der Senkung der Gewinnsteuer für Konzerne plant der Finanzminister auch beträchtliche Veränderungen für private Kapitalbesitzer.

Die so genannte Abgeltungsteuer soll die Spitzenbelastung auf Einkommen aus Zinsen, Dividenden sowie Verkäufe von Aktien und Immobilien reduzieren. Heute liegt der Spitzensatz der Einkommensteuer bei 42 Prozent. Steinbrück peilt nun an, ihn bei Kapitalerträgen auf 30, später 25 Prozent zu drücken. Die Logik: Niedrige Steuersätze wirken als Anreiz für Reiche, keine Steuern zu hinterziehen. Der Finanzminister hofft, so die Einnahmen des Staates zu erhöhen.

Für Zinseinkünfte aus Erspartem, Wertpapierfonds und anderen Formen der Altersvorsorge zieht das Finanzamt heute zunächst pauschal 30 Prozent Quellensteuer ab. Kleinsparer bekommen am Ende des Jahres Geld zurück, weil ihr persönlicher Einkommensteuersatz unter 30 Prozent liegt. Der Spitzensatz für Wohlhabende und Reiche kann allerdings bis auf 42 Prozent steigen, sofern sie eine korrekte Steuererklärung abgeben. Führt die große Koalition eine echte Abgeltungsteuer ein, entrichten Arme wie Reiche in Zukunft den gleichen Steuersatz, der künftig bei 30 oder nur noch 25 Prozent liegen könnte. Der gleiche Steuersatz für alle bevorteilt jedoch Wohlhabende. Das bedeutet: Im Vergleich zum jetzigen Zustand sinkt die Belastung für Reiche, die der Kleinsparer steigt. Entscheiden sich Union und SPD freilich für eine unechte Abgeltungsteuer, können Kleinsparer weiterhin zu viel gezahlte Abgaben unterhalb der Grenze von 30 Prozent vom Finanzamt zurückholen. In diesem Falle würde ihre Belastung durch Steinbrücks Reform nicht wachsen, die der Reichen allerdings trotzdem sinken.

Private Einkünfte aus Aktiendividenden werden heute nur zur Hälfte versteuert (Halbeinkünfteverfahren). Die andere Hälfte des Gewinnes, so die Logik, versteuern die Unternehmen schon im Rahmen der Körperschaftsteuer. Sinkt diese nun, wie Steinbrück plant, muss umgekehrt die Steuer auf ausgeschüttete Gewinne steigen. Im Gespräch ist, künftig nicht nur 50, sondern 60 oder mehr Prozent der ausgeschütteten Gewinne einzubeziehen. Darauf würde dann die Abgeltungsteuer erhoben. Die Wirkung wäre ungefähr dieselbe wie bei den Zinsen: Reiche werden entlastet, Kleinaktionäre im besten Fall nicht zusätzlich belastet.

Einnahmen aus dem Verkauf von Aktien sind heute nur im ersten Jahr nach dem Erwerb der Anteile steuerpflichtig. Ist diese Spekulationsfrist abgelaufen, sind die Gewinne steuerfrei. Selbiges gilt für den Verkauf von Immobilien nach zehn Jahren. Finanzminister Steinbrück plant nun, die Spekulationsfrist abzuschaffen. Die Abgeltungsteuer würde dann immer erhoben. An dieser Stelle werden Wohlhabende und Reiche, die bislang von steuerfreien Verkäufen profitierten, zusätzlich belastet.

Die Wirkungen der Reform für die Einnahmen und Ausgaben des Staates zu beurteilen, ist zurzeit kaum möglich. Zu viele Details sind unbekannt. Unwahrscheinlich erscheint allerdings, dass die durch die Steuersenkung für Unternehmen verursachten Ausfälle durch die Abgeltungsteuer wieder hereingeholt werden. In Presseberichten ist im Vergleich zum heutigen Zustand von Einnahmeverlusten durch die Abgeltungsteuer in Höhe von 1 Milliarde Euro die Rede. Das beim SPD-Parteitag vereinbarte Ziel der „weitgehenden Aufkommensneutralität“ der Steinbrück’schen Reform könnte so nicht erreicht werden.

HANNES KOCH