Pflegebedürftige zahlen drauf

PFLEGEREPORT Die Leistungen aus der Sozialversicherung decken nicht einmal mehr die reinen Pflegekosten ab, kritisiert die Krankenkasse Barmer

BERLIN taz | Jeder dritte Bewohner eines Pflegeheims in Deutschland ist auf Sozialhilfe angewiesen. Der Grund: „Die Eigenanteile an den Pflegekosten steigen weiter an“, sagte der Gesundheitsökonom Heinz Rothgang vom Bremer Zentrum für Sozialpolitik am Mittwoch in Berlin. Viele Menschen könnten diese Kosten nicht mehr aus eigener Tasche bezahlen und fielen damit in staatliche Abhängigkeit, warnte der Wissenschaftler.

Im Auftrag der Krankenkasse Barmer GEK legte Rothgang pünktlich zur Staffelübergabe an Hermann Gröhe (CDU) im Bundesgesundheitsministerium einen 300-seitigen Report zum Zustand der Pflege vor. Danach liegt der Eigenanteil in jeder der drei Pflegestufen deutlich höher als die jeweilige Leistung aus der Pflegeversicherung, so Rothgang. In Stufe 1 müssten die Pflegebedürftigen 1.380 Euro selbst aufbringen – gegenüber 1.023 Euro aus der Versicherung. In Stufe 3 falle der privat zu finanzierende Anteil mit 1.802 Euro noch höher aus (Versicherungsleistung: 1.520 Euro). Zwar sei die Pflegeversicherung nur eine Teilkaskoversicherung. Doch reichten die Leistungen nicht einmal mehr aus, um die reinen Pflegekosten abzudecken. So zahlten Pflegebedürftige im Heim pro Monat zwischen 346 und 760 Euro allein für die Pflege aus eigener Tasche. Vor zehn Jahren waren es 130 bis 550 Euro. Als Ausweg forderte Rothgang eine regelmäßige Erhöhung der Versicherungsleistungen analog zur Preisentwicklung. Im Koalitionsvertrag stehe dazu aber „nichts Nachhaltiges“, kritisierte er.

Der Vize-Kassenchef Rolf-Ulrich Schlenker bezeichnete die von der Großen Koalition angestrebte Pflegereform als „zentral“. Allerdings werde die geplante Beitragserhöhung um 0,5 Prozentpunkte bis 2017 – dies entspricht Mehreinnahmen von jährlich etwa 5 Milliarden Euro – nicht ausreichen, um Leistungen auszuweiten, Demente besser zu stellen, einen Vorsorgefonds aufzubauen und die Dynamisierung zu bezahlen. Hierzu seien 3 bis 4 Milliarden Euro jährlich zusätzlich nötig, schätzte Schlenker. HEIKE HAARHOFF